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Autorenportrait
Heimito (Ritter) von Doderer, 5. 9. 1896 Hadersdorf bei Wien - 23. 12. 1966 Wien. Der aus einer protestantischen Architekten- und Bauunternehmerfamilie stammende D. begann nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums 1914 in Wien mit dem Jurastudium, wurde jedoch 1915 zum Militär eingezogen und geriet 1916 als Kavallerist in russ. Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung (1920) studierte er in Wien Geschichte (Dr. phil. 1925). Danach lebte er als freier Schriftsteller und schrieb für das Feuilleton verschiedener Wiener Tageszeitungen. Am 1. April 1933 trat er in die nationalsozialistische Partei ein, die bald darauf in Österreich verboten wurde. 1936 siedelte er nach Dachau über. Er distanzierte sich bald wieder vom Nationalsozialismus und konvertierte 1940 zum Katholizismus. Im selben Jahr wurde er zur Luftwaffe eingezogen. 1946 kehrte er nach Wien zurück und besuchte von 1948 bis 1950 Kurse am Institut für österreichische Geschichtsforschung. Zahlreiche Ehrungen - u. a. Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur (1957) - bestätigten die Stellung, die er nun als Repräsentant der österreichischen Literatur der Nachkriegszeit erreicht hatte. Die Anfänge von D.s erzählerischem Werk gehen auf die 20er-Jahre zurück, doch wurden die frühen epischen Versuche (Divertimenti) wie manches andere erst postum veröffentlicht. In einer Reihe von Romanen und Erzählungen der folgenden Jahre steht jeweils ein Held im Mittelpunkt, der eine Lebenskrise zu bewältigen hat, die mit seiner Menschwerdung und zugleich auch mit seinem Tod ihre Lösung ?ndet. Dazu gehört auch der psychologische 'Kriminalroman' Ein Mord den jeder begeht. Diesen von der Forschung als 'monographisch' bezeichneten Werken stehen die späten 'polyzentrischen' Romane gegenüber (Die Strudlhofstiege, Die Dämonen, die unvollendete Tetralogie Roman No. 7), groß angelegte Entwürfe der österreichischen bzw. Wiener Gesellschaft in der Zeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Es sind komplexe, geschichten- und gestaltenreiche Romangefüge mit einer komplizierten, lineares Erzählen ausschließenden Zeitstruktur. Dabei laufen die verschiedenen Handlungsstränge jeweils auf ein Schlüsselereignis zu, einen Wendepunkt, an dem sich die Schicksale der Beteiligten klären bzw. ihre Menschwerdung sich vollendet. Trotz der Komplexität seiner Erzählweise hielt D. im Gegensatz zu R. Musil, Marcel Proust oder James Joyce an dem Postulat von der Erzählbarkeit der Welt fest. D.s von einer konservativen Grundhaltung getragenes Bestreben, Gegensätze harmonisch aufzulösen und jede politische Aussage zu vermeiden, steht im Einklang mit dem politischen Klima der 50er-Jahre in Österreich (Staatsvertrag, Große Koalition). Ein Gegenstück zu diesen Romanen entwarf D. mit der Romangroteske Die Merowinger. In: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Von Volker Meid. 2., aktual. und erw. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2006. (UB 17664.) - © 2001, 2006 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart.