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Das zynische Wörterbuch

Ein Alphabet harter Wahrheiten, Reclam Taschenbuch 20069

Erschienen am 05.03.2008
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783150200698
Sprache: Deutsch
Umfang: 179 S.
Format (T/L/B): 1.3 x 19 x 12.1 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Gekonnte Bosheiten aus den letzten zweihundert Jahren Geistesgeschichte, die nicht unbedingt Trost spenden, dafür aber das diebische (intellektuelle) Vergnügen bereiten, trefflich provokativ und zersetzend formuliert zu sein - vom Stichwort "Abendland" bis "Zynismus". Eine vorbehaltlose und doch spielerische Verbeugung vor der radikalen Einsicht in das tief Fragwürdige der Schöpfung und des Menschen. "Ich habe selten so ein giftiges und destruktives Buch in den Händen gehalten." (Luzerner Neuste Nachrichten)

Leseprobe

Nachwort Der Übermut vor allem ist es, ein gehässig-heiterer, bösartiger Übermut, der eine solche Sammlung von Zynismen entstehen lässt; schadenfreudig und hämisch, naserümpfend und von einer ziemlichen Prise Sadismus befeuert, ist man am Werk und reibt sich die Hände dabei. Aber da gibt es noch einen anderen Antrieb, ein anderes Ingrediens: Verbitterung und Enttäuschung über den Weltzustand, eine Enttäuschung, die immer wieder aufs neue genährt wird von der Betrachtung der Weltläufte und über die man nicht hinwegkommt. Wäre man ein souveräner, früher hätte man (ohne sich zu genieren) gesagt: ein 'reifer' Mensch, im emphatischen Sinn ein Erwachsener, würde man nicht mit der Adoleszentenmentalität einer Übergangserkrankung auf dem Weg zum Erwachsensein Zynismen sammeln oder produzieren und auf ihrem Wahrheitsgehalt insistieren. Aber die Erbitterung bleibt und ist nicht als Entwicklungsstörung abzutun; wenn man nicht auf den Kopf gefallen ist oder sich nicht permanent selbst etwas vorlügt, weiß man genügend Gründe dafür, den Zustand der Welt grundsätzlich grauenvoll und die Schöpfung insgesamt misslungen zu finden, und die Erbitterung darüber steigt noch, wenn man bemerkt, dass die Mehrzahl unserer Mitmenschen fest entschlossen ist, dies nicht in ihr Bewusstsein dringen zu lassen - also vielmehr entschlossen, die Wahrheit zu sabotieren. Der Übermut des Zynikers und des Zynismensammlers aber kommt auch daher, dass man mit Lust die Heuchelei, die Dummheit und die sozial verhängte gedämpfte Korrektheit verletzt, und dazu gehört, dass man sich glattweg auch noch für intelligenter hält als andere Menschen - und das darf man ja eigentlich auch nicht. Das erleichterte Gelächter bei der Lektüre einzelner Zynismen, auf die man stößt, wie auch bei der Lektüre der geballten Zynismen, die das vorliegende vorzügliche Lexikon bietet, deutet darauf hin, dass viele von uns - um nicht zu sagen: wir alle - viel boshafter und schonungsloser über die Welt und den Menschen denken, als wir dies gemeinhin zuzugeben bereit sind. Das Gelächter stammt daher, dass man lesend, sich von Zynismen ertappt fühlend, mit ihnen sich identifizierend, ohne Schaden zu nehmen und ohne Rache und Sanktionen befürchten zu müssen, sich bei der eigenen Bosheit und - philosophischer - beim eigenen wohl fundierten Pessimismus erwischt und sich erwischt fühlt, und man lacht aus blitzartigem Einverständnis mit der 'unverantwortlichen' ("Huch!", würde Walter Serner an solcher Stelle hysterisch-sarkastisch einwerfen) Bosheit in Zynismen, und man genießt die erzählökonomische Kürze von Behauptung und Formulierung in Zynismen, ähnlich wie man Kürze und Pointiertheit von Witzen genießt, die ja auch einerseits Komplexität reduzieren und zugleich auf komprimierteste Weise differenziert sind. Doch Zynismen sind eben nicht einfach nur gekonnte Bosheiten. Man mache die Probe aufs Exempel: Erkennbar dumme und plumpe Zynismen wirken nicht, sind eher peinlich, fallen flach hin wie ein missratener Witz, wie eine missglückende Pointe. Und das heißt: Gute Zynismen sind nicht einfach l'art-pour-l'art-Produkte, sind nicht bloß leer-böse brillant, sondern haben etwas mit Erkenntnis zu tun, mit - gewissermaßen: - einseitiger, nicht 'ausgewogener' Erkenntnis, aber eben doch damit, dass etwas an der Wirklichkeit oder an einem Sachverhalt wirklich verstanden und auf den Punkt gebracht ist. Die meisten Zynismen sind nicht einfach 'geistreich', sondern sind harte Wahrheiten, sind der Ausdruck dessen, dass da einer sich kein X für ein U vormachen lassen will und da einen Spaten einen Spaten nennt, wo andere immer von einem Schäufelchen reden. Alle Idealisierung und Verharmlosung will der Zyniker verletzend schroff von sich abtun. Es mag ja sein, dass "political correctness" zur Zähmung und Dämpfung von Aggressivität eine vernünftige soziale Funktion hat oder hatte; vielleicht gibt es übertriebene und dennoch historisch notwendige Einübungen in zivilisierteres Verhalten. Zynismen aber sind dann d

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