Beschreibung
Juhanis Freunde finden es etwas seltsam, dass er ständig nach einer Harley-Davidson Ausschau hält. Aber auf genau so einem Ding ist Juhanis Vater Lasse, ein Tangosänger mit begnadeter Stimme, ein Tingler und Windbeutel, vor vier Jahren nach Afrika abgehauen. Zum Glück ist da noch Milja, in die Juhani sich verliebt. Als das Bild seines Vaters schon langsam verblasst, steht er plötzlich vor der Tür. Ein berührendes Buch über das Träumen, Lieben und Größerwerden.
Autorenportrait
Marjaleena Lembcke wurde 1945 in Kokkola/Finnland geboren und studierte Theaterwissenschaften und Bildhauerei. Seit 1967 lebt sie in der Nähe von Münster in Westfalen. Sie schreibt für Kinder und Jugendliche ebenso wie für Erwachsene. Für ihre Bücher wurde sie vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 1999, und wurde nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis.
Leseprobe
Der Tag, an dem ich die Harley-Davidson sah und mich in Milja verliebte, war ein Sonntag im Mai. Meine Mutter und ich hatten gefrühstückt, und meine Mutter musste anschließend noch arbeiten. Sie wollte einen der Holzsärge mit weißer Kunstseide ausstatten und fragte mich, ob ich ihr helfen würde. Es war schwierig, die Särge allein mit dem steifen Stoff zu bespannen. Ich nickte, obwohl ich keine Lust hatte. In dem Augenblick schellte es. Mutter seufzte, ich öffnete die Tür. Es war Pentti, mein Freund. »Komm schnell mit!«, rief er aufgeregt. »Bin gleich wieder da!«, rief ich meiner Mutter zu. Ich hatte keine Ahnung, was los war, aber langweiliger als einen Sarg zu bespannen konnte es nicht sein. Ich rannte Pentti hinterher. Er lief wie ein Windhund und ich hatte Mühe, ihm auf den Fersen zu bleiben. Als ich merkte, wo er hinwollte, blieb ich stehen. »Was sollen wir auf dem Schulhof?« »Komm schon«, rief er ohne stehen zu bleiben. Als wir zum Schulhof kamen, sah ich Milja. Sie war die Fahnenstange bis zur Mitte hochgeklettert und klammerte sich dort fest. Ihr Vater lief um die Fahnenstange und tobte. »Komm runter, komm sofort runter. Ich sollte dich grün und blau prügeln. Komm endlich runter!« Dann blieb er stehen und schrie zu Milja hoch: »Ich will dich nicht mehr sehen! Verschwinde! Verschwindet alle! - Mir ist es egal. Dieses beschissene Leben!« Plötzlich hörte er auf zu brüllen, setzte sich auf den Boden und weinte. Nach einer Weile stand er auf und ging, ohne sich noch einmal nach Milja umzudrehen. Sie kletterte herunter. »Das ist keine Zirkusnummer, ihr braucht nicht so blöd zu glotzen«, sagte sie. Ich grinste verlegen. Wir standen schweigend an der Fahnenstange. »Du kannst zu uns kommen«, sagte ich nach einer Weile, weil mir nichts anderes einfiel. »Ja, komm mit, wir stecken dich in einen Sarg, dann sind alle deine Sorgen vorbei«, sagte Pentti und lachte. Sie warf ihm einen eisigen Blick zu und sagte zu mir: »Ich habe ein eigenes Zuhause!« Pentti und ich machten uns wieder auf den Weg und Milja ging in die andere Richtung. »Hast du mich deswegen geholt?«, fragte ich Pentti. »Ich dachte, wir müssten sie retten«, sagte er. »Sie kann auf sich selbst aufpassen.« Pentti schüttelte den Kopf. »Bei diesen Typen mit einem Granatsplitter im Hirn weiß man nie, was sie anstellen.« Er meinte Miljas Vater. Milja besuchte die Parallelklasse. Sie war dreizehn wie Pentti und ich auch. Auf dem Schulhof verfolgte ich sie mit den Augen. Ich wollte sehen, mit wem sie sich unterhielt und ob sie schon mit einem Jungen zusammen war. Aber sie stand immer in einer Gruppe von Mädchen und schien sich nichts aus Jungs zu machen. Ich hatte auch noch nichts mit Mädchen zu tun. Wenn ich allein mit einem Mädchen war, wusste ich nie, was ich sagen sollte. »Miljaaa!«, rief jemand laut. Es war Katri, Miljas Schwester. Sie schielte. Besonders, wenn sie aufgeregt war. Katri war oft aufgeregt. Als sie uns eingeholt hatte, wanderte ihr rechtes Auge wild durch die Gegend und das linke suchte irgendeinen uns unbekannten Winkel am Horizont. Sie schniefte, das Wasser tropfte ihr aus den Augen und aus der Nase. »Habt ihr Milja gesehen?«, fragte sie. »Wir wollten sie in einen Sarg stecken, aber sie wollte nicht«, antwortete Pentti. »Blödmann!«, schnauzte Katri Pentti an. »Sie ist nach Hause gegangen«, sagte ich. »Und Vater?«, fragte sie. »Ist wohl auch unterwegs in die Richtung«, antwortete ich. »Er hat wieder einen Anfall«, sagte Katri. »Er wollte Milja den Hintern versoh Leseprobe