Beschreibung
Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Begründung von Verfahrensrügen sind rigide. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO wird als Schlüssigkeitsgebot ausgelegt und vom Revisionsführer verlangt, Verfahrenstatsachen so vollständig und aus sich heraus verständlich anzugeben, dass das Gericht allein anhand der Revisionsbegründung - Erweisbarkeit vorausgesetzt - endgültig entscheiden kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt. Ralf Ritter zeigt, dass diese Auslegung sich strukturell obrigkeitsstaatlichen Begründungsanforderungen annähert, die der historische Gesetzgeber überwinden wollte. Dargelegt wird, dass das Schlüssigkeitsgebot zwangsläufig uferlos ist und die für seine Geltung angeführten teleologischen Gründe einer Überprüfung nicht standhalten. Der Autor schlägt stattdessen eine systematische Ableitung der Begründungsanforderungen aus der auf eine Entscheidungskontrolle gerichteten Struktur der Revision vor. Die Begründung der Verfahrensrüge muss dem Gericht die zielgerichtete, selektive Kontrolle einer bestimmten prozessualen Stelle ermöglichen.
Inhalt
Inhaltsübersicht: A. Einleitung - B. Rechtshistorische Betrachtung: Die Begründungsanforderungen im Rahmen des französischen Kassationsrekurses - Die Begründungsanforderungen für die Nichtigkeitsbeschwerde des deutschen Prozessrechts - Die Entstehung des § 384 Abs. 2 Satz 2 RStPO - Die Auslegung der Begründungsanforderung bis 1945 - Reformvorschläge zur Veränderung der Begründungsanforderungen während der nationalsozialistischen Herrschaft - Zusammenfassung der rechtshistorischen Betrachtung - C. Das Schlüssigkeitsgebot: Die Entwicklung des aktuellen Schlüssigkeitsgebots - Aktuelle Abgrenzungsprobleme bei der Bestimmung des Begründungsumfangs - Verfassungsrechtliche Probleme des Schlüssigkeitsgebots - Zusammenfassung - D. Rechtswissenschaftliche Ansätze zur Konkretisierung der Darlegungslast: Formenstrenge des Revisionsverfahrens zur Sicherung seines auf Rechtseinheit gerichteten Zwecks - Ausnahmecharakter der revisionsgerichtlichen Überprüfung der Rechtsanwendung im Einzelfall - Bewahrung des Revisionsgerichts vor einer unzumutbaren Arbeitsbelastung - Individualisierung des Rügegegenstands durch Benennung der fehlerbehafteten Stelle im Prozess - E. Zur Bedeutung der Systematik der Revision für die Begründungsanforderungen an die Verfahrensrüge: Der Charakter der Revision als Entscheidungsüberprüfung im Unterschied zu einer Entscheidungswiederholung - Verfahrensüberprüfung und Entscheidungswiederholung - Die Darlegungslast als Überprüfungsfilter zur Vermeidung von Entscheidungswiederholungen - Der Zusammenhang zwischen Funktion und Umfang der Darlegungslast - F. Folgen einer unter systematischen Gesichtspunkten bestimmten Darlegungslast: Kenntnisnahme der Urteilsgründe ohne Sachrüge - Beruhen - Mehrere rechtliche Anknüpfungspunkte für eine fehlerhafte Stelle - Gegen die Begründetheit der Rüge sprechende Verfahrenstatsachen - Ausschluss hypothetischer Verfahrensabläufe - Variable Bestimmung der Darlegungslast - G. Zusammenfassung - Literaturverzeichnis und Sachregister