Beschreibung
Von der Trüffelmesse über das Froschschenkelfestival zum Schlemmer-Marathon mit Rotweinstärkung: In seinem neuen Buch begibt sich Peter Mayle auf die Reise zu den gemütlichen französischen Fressfesten und weiht den Leser in die Geheimnisse der französischen Küche ein. Ein Lesegenuss für Feinschmecker!
Leseprobe
Der Franzose in mir Die ersten Jahre meines Lebens verbrachte ich in der gastronomischen Einöde der Nachkriegszeit, als in England extremer Mangel an Gaumenfreuden herrschte. Wahrscheinlich besaß auch ich in meiner Jugend Geschmacksknospen, aber sie lagen brach. Nahrung war Treibstoff für den Körper, aber in vielen Fällen kein appetitanregender, der Leib und Seele zusammenhielt. Ich erinnere mich noch mit Grausen an die Verpflegung im Internat, die offenbar nach Farben zusammengestellt wurde: graues Fleisch, graue Kartoffeln, graues Gemüse und ein dazu passender undefinierbarer Geschmack, den man als Grau in Grau bezeichnen könnte. Damals dachte ich, das sei völlig normal. Aber ich sollte eine freudige Überraschung erleben. Kaum hatte ich meine Karriere in einem riesigen multinationalen Unternehmen begonnen, als letztes Glied in der Kette der Auszubildenden, erhielt ich den Auftrag, meinen Chef, Mr. Jenkins, als kleines Licht auf einer Dienstreise nach Paris zu begleiten. Das sei eine unerlässliche Voraussetzung, wenn man das Geschäft von der Pike auf lernen wolle, wurde mir eröffnet. Ich solle mich glücklich schätzen, im zarten Alter von neunzehn Jahren eine einmalige Chance wie diese zu erhalten. Mr. Jenkins war Engländer bis ins Mark und stolz darauf; er kultivierte seine Rolle mit solchem Elan, dass er oft über das Ziel hinausschoss und einer Karikatur seiner selbst nahe kam. Im Ausland pflegte er sofort auf seine Nationalität hinzuweisen und sich mit Bowler und zusammengerolltem Regenschirm gegen die unwägbaren Elemente des Lebens zu wappnen. In diesem Fall ernannte er mich zu seinem persönlichen Gepäckträger und überantwortete mir die ehrenvolle Aufgabe, seine Aktenmappe zu befördern. Bevor wir zu neuen Ufern, in die unbekannte Ferne jenseits des Ärmelkanals aufbrachen, hatte Mr. Jenkins mir freundlicherweise Tipps für den Umgang mit den Eingeborenen gegeben. Einer seiner Ratschläge, der an Klarheit nicht zu überbieten war, lautete: Lass dich nie auf das Kauderwelsch ein, das sie dort als Sprache bezeichnen. Wenn man sich mit entsprechendem Nachdruck des Englischen bediene, meinte er, werde man sich irgendwann von alleine verständlich machen. Im Zweifelsfall gelte es eben, die Stimme zu erheben. Diese schlichte Erfolgsformel hatte laut Mr. Jenkins bereits seit mehreren hundert Jahren auf den Vorposten des British Empire gute Dienste geleistet, und deshalb bestünde kein Grund, jetzt daran zu rütteln. Wie viele Angehörige seiner Generation wusste er wenig Gutes über die Franzosen zu sagen - ein merkwürdiges Völkchen, das nicht einmal die Regeln des Kricketspiels begriff. Aber er musste zugeben, dass sie sich auskannten, was die Küche betraf, und er fühlte sich durchaus geschmeichelt, von zwei Pariser Kollegen zum Mittagessen eingeladen zu werden, in eine »Imbissbude«, wie Mr. Jenkins sagte. Es war die erste erinnerungswürdige Mahlzeit in meinem Leben. Wir wurden zu einer angemessenen englischen Adresse gebracht, in die Avenue Georges V, wo es damals (wie heute) ein Restaurant namens »Marius et Janette« gab. Noch bevor wir saßen, erkannte ich, dass es sich um ein Etablissement vom Feinsten handelte, nicht zu vergleichen mit einer Imbissbude oder allem anderen, was ich bisher zu Gesicht bekommen hatte. Hier roch es auch völlig anders: exotisch und verführerisch. Da war der Geruch des Meeres, als wir an der Theke mit den Austern auf ihrem Bett aus zerstoßenem Eis vorübergingen, ein opulenter Duft nach Butter, die in einer Kasserolle erwärmt wurde, und das für meine bodenständige Nase fremdartige und durchdringende Aroma des Knoblauchs, das uns immer dann entgegenwehte, wenn die Küchentür aufschwang. Mr. Jenkins trennte sich schweren Herzens von Hut und Schirm, als wir Platz nahmen, während ich verwirrt das Sammelsurium der Kristallgläser und das Waffenarsenal aus Messern und Gabeln in Augenschein nahm, das vor mir ausgebreitet lag. Der Trick bestand darin, sich von außen nach innen vorzuarbeiten, hatte man mir gesag