Beschreibung
Ein psychologischer Spannungsroman ersten Ranges. Als die junge Köchin Mara von der wohlhabenden Familie Klausen für einen Kurzurlaub engagiert wird, ist sie froh, ihrem tristen Elternhaus entfliehen zu können. Die Tage am See beginnen unbeschwert, Mara fühlt sich in der harmonischen Familie sehr wohl. Doch dann wird Frau Klausen zunehmend panisch, und auch die anderen Familienmitglieder verhalten sich immer seltsamer. Auch Maras Essen rühren sie nicht mehr an. Mara glaubt, einem bösen Geheimnis auf der Spur zu sein. Und in der Tat: Als sich eines Abends Gäste im Ferienhaus versammeln, kommt es zur Katastrophe ...
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Autorenportrait
Charlotte Richter-Peill, geboren 1969, lebt in Hamburg, wo sie als freie Schriftstellerin arbeitet. "Die Köchin" ist ihr zweiter Roman. Neben ihrem Debüt, "Das letzte Zimmer", hat sie vor allem in Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht; viele ihrer Texte werden für den Hörfunk vertont. 2001 erhielt Charlotte Richter-Peill den Förderpreis der Stadt Hamburg und 2004 ein Aufenthaltsstipendium für Autoren im Künstlerhaus Kloster Cismar.
Leseprobe
Prolog Gisela lauscht. Nicht das leiseste Rascheln ist zu hören. Heute waren die Spinnen auf ihren vielgliedrigen Beinen zurückgekehrt, die glänzenden, kaum erbsengroßen Leiber gebläht von der Brut, die in ihnen reift. Sie halten sich bereit, wollen in Gisela hinein und sich durch schmale Gänge einen Weg in ihren Körper bahnen. Gisela betrachtet ihre Hände, die reglos vor ihr auf dem Küchentisch liegen. Als Horst heute Morgen die Zeitung aufgeschlagen hatte, waren die Spinnen zwischen den Seiten hervorgekullert. Fast hätte Gisela ihr Marmeladenbrot fallen lassen. Ihr Mann hatte nichts gemerkt. Die Spinnen waren mit einem Geräusch wie von Hagelkörnern auf dem Tisch gelandet, aber das hatte nur sie gehört. In wildem Durcheinander waren sie davongerannt, kreuz und quer über den Boden, so schnell, dass Gisela den Tieren mit den Augen kaum folgen konnte. Sie hatte die Lippen aufeinander gepresst und war ruhig auf ihrem Stuhl sitzen geblieben. Ihre Hände hatten gezittert, sie hatte sie unter dem Tisch versteckt. Kurz darauf hatte Horst seine Jacke vom Haken genommen. Bitte bleib, hatte sie sagen wollen, doch ihr Mund war wie zugenäht gewesen. Später hatte sie den Frühstückstisch abgeräumt, den zweijährigen Niels in sein Bettchen gelegt, ihre Tochter Mara zum Spielen hinausgeschickt und versucht, ein Mittagessen zu kochen. Schließlich war sie zum Küchentisch zurückgekehrt. Hier sitzt sie nun. Das Licht in der Küche ist nicht so, wie es sein sollte. Selbst jetzt, am Vormittag, ist es dämmrig wie am Abend. In den Schatten dieses dämmrigen Lichtes können sich die Spinnen leicht verbergen. Gisela steht auf und tritt ans Fenster. Dort ist es ein wenig heller. Doch statt hinauszusehen, betrachtet sie ihr Spiegelbild in der Scheibe. Erst wenn sie sich ihres Anblicks sicher ist, wird sie auf die Welt jenseits des Fensters achten können. Vorsichtig berührt Gisela mit den Fingerspitzen ihr Spiegelbild. Da ist sie: der Körper schmal, ein Arm vor der Brust. Sie findet sich unauffällig, trotz ihrer Größe. Andere halten sie oft für jünger als achtundzwanzig. Ihre Finger auf der Scheibe fahren die Kontur ihrer Lippen nach. Die Farbe stimmt, ein Ton zwischen Rosa und Blassrot. Die Lidfalte über dem linken Auge sitzt etwas höher als rechts. Ein Augenbrauenhaar wächst quer. Nichts an ihr hat sich verändert. Aber alles andere hier ist neu. Sie blickt auf die Straße hinaus. Autos, ein paar Radfahrer, Leute, auf dem Weg zum Einkaufen, um arbeiten zu gehen oder um in der Apotheke schräg gegenüber ein Medikament abzuholen; in der Apotheke, die ihr Mann vor vier Wochen eröffnet hat. Von früh bis spät stapelt er dort Tablettenschachteln, sortiert Rezepte, rührt Cremes, Salben, Tinkturen an und hält seinen Kunden die Tür auf. Es ist eine hübsche Tür mit altmodischer Klinke. Vor den Fenstern hängen grüne Blumenkästen voller Petunien. Um die Apotheke herum stehen andere Häuser, auch ein paar Ulmen und Linden. Fette Putten prangen von den Dächern, die Bäuche vorgestreckt, die Köpfe fleckig von Vogelkot. Rechts nebenan ein Supermarkt, links ein schwarzgrauer Neubau mit mehreren Arztpraxen. Drei Straßen weiter steht die Kirche, deren Glocken alle halbe Stunde läuten. Auf den Laternenmasten hocken Tauben. Morgens erinnern die Farben an die Tönung auf vergilbten Fotografien. Das ist die Gegend, in der Gisela seit einem Monat wohnt. Von der Kreuzkirche her schlägt es halb zwölf. Gisela zuckt zusammen. Sie zieht den Morgenrock enger um sich und kehrt vom Fenster an den Küchentisch zurück. Sorgfältig rührt sie einen Esslöffel Zucker in ihren vielleicht fünften oder, sie weiß es nicht, sechsten Becher Kaffee. Es ist ein großer Becher mit aufgemaltem Snoopy-Motiv. Sie trinkt mit kleinen, schnellen Schlucken. Ein Rinnsal läuft über ihr Kinn, sie wischt es mit dem Ärmel fort. Prüfend lässt sie den Blick wandern. Der Herd mit dem Rostfleck auf der Ofenklappe. An der Wand eine Puddingform in Gestalt einer Eule, in der Ecke der alte Küchenstuh ...