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Die Schatten von Aberdeen

Roman

Erschienen am 08.05.2007
8,95 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442464005
Sprache: Deutsch
Umfang: 416 S.
Format (T/L/B): 2.8 x 18.7 x 11.8 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Eine alte Burg in Schottland. Eine Serie rätselhafter Todesfälle. Und jeder kann der Nächste sein Harry Burnett ist nur in seine englische Heimat zurückgekehrt, um seine Mutter zu begraben. Aber als ihn ehemalige Kameraden aus seiner Militärzeit zu einer Wiedersehensfeier in einer alten schottischen Burg einladen, sagt er sofort zu. Doch bereits im Zug begeht einer der Männer Selbstmord, und kurz nach der Ankunft stirbt ein zweiter. Schnell wird deutlich, dass die Todesfälle mit einem psychologischen Experiment zusammenhängen, an dem die Soldaten vor 50 Jahren teilnahmen. Und Harry muss bald fürchten, die Burg nicht lebend verlassen zu können.

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Leseprobe

Wenn er mit Donna zurückgeflogen wäre, wäre das vollkommen in Ordnung gewesen. Wenn ihre Maschine nur ein, zwei Stunden Verspätung gehabt hätte, dann hätte das auch schon genügt. Wenn er beim Verlassen des Friedhofs einfach nach rechts statt nach links abgebogen wäre, hätte er sich das alles wahrscheinlich erspart. Aber nichts war in Ordnung; nichts hatte genügt; nichts blieb ihm erspart. Letztlich führte all das »wenn« und »deshalb« nirgendwohin. Das Schicksal hatte ihm an jenem Tag eine Falle gestellt. Und er tat ihm den Gefallen, arglos mitten hineinzutappen. So fand ein Jahrzehnt, in dem es das Leben gut mit Harry Barnett gemeint hatte, ein jähes Ende, ohne dass er etwas davon ahnte. Hochzeit und Vaterschaft waren in diesen Jahren die Höhepunkte aller schönen Überraschungen gewesen. Er bedauerte allenfalls, dass er erst so spät dazu gefunden hatte, aber genau die Umstände, denen er zu guter Letzt Donna und ihre gemeinsame Tochter Daisy verdankte, hatten eben auch die Verspätung erzwungen. Andererseits war er nie einer von denen gewesen, die sich lange mit verpassten Gelegenheiten aufhielten. Die Gegenwart - und ihre gemeinsame Zukunft als Familie - gehörten ihm und wollten genossen werden. Seine Zufriedenheit hatte auch der kürzliche Tod seiner Mutter nicht trüben können. Ein schneller und sanfter Abgang im Alter von dreiundneunzig Jahren war kein Anlass zu Kummer. Sie hatte ihren Lauf würdevoll beendet. Mit dem Tod seiner Mutter waren auch Harrys Verbindungen zu seinem Geburtsort so gut wie abgestorben. Nach Swindon war er nur zurückgekehrt, um ihre Beerdigung zu organisieren und das Haus, in dem sie über siebzig Jahre lang gelebt hatte, zu räumen. Das Wohnungsamt wollte so bald wie möglich einen neuen Mieter hineinsetzen. Die Tatsache, dass die Falmouth Street Nummer 37 so viel von Harrys Vergangenheit barg, konnte es nicht aufhalten. Abgesehen davon lag das auch gar nicht in Harrys Interesse. Es war Zeit, weiterzuziehen. Donna war an diesem Tag schon am Morgen nach Seattle zurückgeflogen, wo sie Daisy bei den Großeltern untergebracht hatten. Morgen würden Mutter und Tochter heim nach Vancouver fahren. Harry hatte vor, in ungefähr einer Woche wieder bei ihnen zu sein, sobald er die Kleider, Möbel und das Geschirr seiner Mutter entsorgt hatte. Er hätte sich eine schönere Aufgabe vorstellen können, aber sie musste erledigt werden. Abgesehen davon gab es niemanden, der sie ihm abnahm. Das war nun mal das Schicksal eines Einzelkindes. Nachdem Harry sich am Heathrow Airport von Donna verabschiedet hatte und allein nach Swindon zurückgefahren war, überfiel ihn plötzlich Selbstmitleid. Er hatte keine Lust, die Schränke zu leeren und Müllbeutel vollzustopfen. So schlug er nach der Ankunft am Bahnhof nicht den Weg zum Haus seiner Mutter ein, sondern wanderte vorbei an der Mauer um die ehemalige Betriebsanlage der Great Western Railway zum Park und weiter zur Radnor Street, wo sich gegenüber seiner alten Grundschule, inzwischen zu einem Bürokomplex umgebaut, der Eingang zum Friedhof befand. Zum ersten Mal, so weit Harry zurückdenken konnte, fehlte an dem vertrauten Ort nahe der höchsten Stelle des Friedhofs der Grabstein seines Vaters, Stanley Barnett, der bei einem Unfall im Lokomotivenfertigungswerk der Great Western Railway das Leben verloren hatte, als Harry drei Jahre alt gewesen war. Man hatte den Stein entfernt, um nun nach all den Jahren die Inschrift um Ivy Barnetts Namen zu erweitern. Harry blieb minutenlang vor dem mit Blumen übersäten Grabhügel stehen, in dem vor zwei Tagen der Sarg seiner Mutter auf den seines Vaters hinabgelassen worden war. Er sog die klare Frühlingsluft ein und blickte zum flachen Horizont. Schließlich wandte er sich ab und ging langsam davon. Nachdem er den Friedhof am anderen Ende verlassen hatte, zog er kurz in Erwägung, einen Abstecher zum Beehive zu machen, seiner Stammkneipe in den lange zurückliegenden Jahren, als er schon ausgezogen war und sich als Mitinhaber von Barnchase