Beschreibung
'Laufen hat nichts mit Lachen zu tun!' Achim Achilles Vom Martyrium des Tempotrainings über nächtliche Fressattacken bis zum Pronationsmittelbrückenleichtbauschuh - schonungslos seziert Deutschlands bekanntester Freizeitsportler den Irrsinn der schönsten Hauptsache der Welt. Er läuft und läuft und läuft. und seine Fangemeinde wächst ständig. Denn niemand bringt die Freuden und Nöte der Hobbyläufer besser auf den Punkt als Achim Achilles. Von der Kunst des Tempolaufs bei pfeifender Lunge bis zum Superschuh mit Pronationsmittelbrückenleichtbautechnologie - in seinem neuen Kolumnen-Band seziert Deutschlands bekanntester Freizeitsportler wieder schonungslos den alltäglichen Irrsinn des Freizeitsports.
Autorenportrait
Achim Achilles lernte im Alter von drei Jahren das Laufen. Sportliche Erfolge: bei den Bundesjugendspielen zwei Sieger- und eine Ehrenurkunde (Messfehler), Gewinner des Gummistiefelzielwerfens 2004 in Caheragh/Irland, 25 Jahre Handball, vier Marathons, diverse Triathlons, selten Letzter. In manchem Winter Fitnessclub-Mitgliedschaft. Berge bestiegen, Seen durchschwommen, dauernder Bewegungsdrang. Bisweilen geregelte Arbeit als Journalist, aber lieber ungeregeltes Lauftraining. Schlüsselbeinbruch aufgrund mangelnden Mountainbike-Könnens. Verheiratet mit der sehr geduldigen Mona, zwei Söhne, die ihrem Vater längst davonrennen. Träumt vom Ironman auf Hawaii, aber erst mit 70, wenn sich die Konkurrenz auf natürlichem Wege reduziert hat.
Leseprobe
Laufen ist immer Qual, egal, ob man läuft oder nicht. Die Wade reißt schon beim Schleifemachen. Und das ist erst der Anfang. Jeder Schritt ein Martyrium, oben, unten, überall. Wenn man nicht läuft, ist es allerdings noch schlimmer: Dann pocht das schlechte Gewissen. Wirklich wohl fühlt man sich allenfalls für ein paar wenige Minuten unmittelbar nach dem Laufen. Dann tut zwar alles weh, aber das schlechte Gewissen pocht etwas leiser. Doch kaum tropft der Schweiß nicht mehr, geht das innere Psy-chomassaker wieder los. Anschwellendes Schweinehundgebrüll: 'Letztes Jahr ging die Runde um den Schlachtensee aber noch bedeutend zügiger. Vor allem zweimal. Wenn schon nicht schnell, dann wenigstens nicht so kurz - hatten wir uns doch mal vorgenommen, oder? Wo kommt dieses Knarzen eigentlich her? Hüfte? Leiste? Leber? Kein Wunder, bei dem Lebenswandel. Aber immer große Fresse, von wegen Marathon. Und am Ende doch nur die Seniorenrunde im Schlurfmodus. Das soll laufen sein? Die Spaziergänger grinsen ja schon. Die überlegen, ob sie den Rettungswagen rufen. Kein Wunder, bei der lila Birne. Jupp Heynckes ist ein Albino gegen mich. Und Reiner Calmund ein Strich. Auf den Reklamefotos liegt dieses elend teure Laufhemd ganz eng an. Warum weigert es sich bei mir? Ich sehe aus wie ein verhängtes Kettenkarussell, das in Zeitlupe durch den Wald rollt. Läufst du noch oder stirbst du schon, du dicke, lahme Ente?' Leider stimmt jedes Wort. Weghören geht nicht. Kommt ja von innen, und doch nicht zu überhören. Ich sehne einen Tinnitus herbei. Laufen, das ist aber auch Hoffnung. Die Illusion, nach dem samstäglichen Gehechel durch den Grunewald nicht ganz so fertig zu sein wie beim letzten Mal. Die Vorstellung, dass die schnuffelige, kleine Praktikantin zufällig guckt, wenn man das Hosenbein an der Stuhlkante ein wenig emporschiebt, so dass ein Stück dieser plumpen, aber immerhin ziemlich harten Wade zu sehen ist, die wir just in diesem Moment bis zur Krampfstarre anspannen, ohne dabei angestrengt auszusehen. Die schlimmste Hoffnung ist allerdings die auf Gelassenheit: Bewegung genießen, frische Luft einsaugen, nur mal zwei Minuten lang nicht auf die Uhr gucken. Einfach mal loslassen, empfiehlt die Vernunft. Würde ich ja gern, antwortet der Läufer, geht aber nicht. Laufen verhält sich zur Gelassenheit wie Dieter Bohlen zu Thomas Anders - eine völlig zerrüttete Beziehung. Mal angenommen, der Dalai Lama würde laufen. Wie würde der kleine Tibeter das Training angehen? Erst mal lachen, als Grundhaltung. Hülfe ja schon eine Menge, wenn sich die notorisch maulende Läuferbande daran halten würde. Dann ein Viertelstündchen meditieren. Auch gut: Einfach mal gar nichts machen - mentales Walken. Verabschieden aus der bösen Welt da draußen und eintauchen ins Paradies, wo Wadenkrampf und Lungenbrennen wohnen. Dann langsam loslaufen, ganz leicht und gut gelaunt. Kein Trainingsplan im Kopf, keine Uhr am Handgelenk, erst recht kein GPS oder Handy. Freies Laufen, ohne jede Vorgabe, ohne Ziel, ohne Druck. Kurz, Urlaub auf Luftpolstersohlen. Schöne Vorstellung, aber leider völlig unrealistisch. Wer läuft, will Qual und Zweck. Anerkennung, abnehmen, Bestzeit rennen, von seinen Kollegen bestaunt werden. Zielloser Zen-Run funktioniert erst recht nicht, wenn der Ehrgeiz brennt. Wo kommen wir denn da hin, wenn Laufen auf einmal nur noch Spaß macht? Es ist die Angst, die uns treibt, nicht das Vergnügen. Und so dreht sich der Läufer in einer endlosen Redundanzschleife der Dialektik: Hoffen und Bangen, Endorphinrausch und Suizidgedanken, Sucht und Unlust, Lachen und Leiden erzeugen ein stetes Feuerwerk der Emotionen, das uns mehr als ohnehin schon an uns zweifeln lässt. Ein Mal, nur ein einziges Mal, wollen wir den großen Sieg, am liebsten über uns selbst. Aber die Anstrengung auf dem Weg dorthin umgehen wir mit allerlei Listen. Verträge mit uns selbst schließen wir nur, um sie alsbald frohgemut zu brechen. Natürlich könnten wir schneller sein und dünner. Aber jetzt gerade nich