Autorenportrait
Nicolas Barreau, geboren 1980 in Paris, hat Romanistik und Geschichte an der Sorbonne studiert und lebt heute als freier Autor in Paris. Schon mit seinen Erfolgen »Die Frau meines Lebens« und »Du findest mich am Ende der Welt« hat er sich in die Herzen seiner Leserinnen geschrieben, ehe »Das Lächeln der Frauen« ein internationaler Bestseller wurde. Weitere sehr erfolgreiche Bücher folgten.
Leseprobe
1 Heute bin ich der Frau meines Lebens begegnet. Sie saß in meinem Lieblingscafé, ganz hinten an einem der Holztische vor der verspiegelten Wand und lächelte mir zu. Leider war sie nicht allein. Ein - ich muß es zugeben - verdammt gutaussehender Typ saß bei ihr und hielt ihre Hand. Ich sah sie also nur an, rührte in meinem Café Crème und flehte die himmlischen Mächte an, daß etwas passieren sollte. Ich bin Buchhändler, wissen Sie, und wenn man tagtäglich mit Büchern zu tun hat, wenn man so viele Romane gelesen hat wie ich, kommt man irgendwann zu dem Schluß, daß sehr viel mehr, möglich ist, als gemeinhin angenommen wird. Mag sein, daß für manche die Literatur die angenehmste Art ist, das Leben zu ignorieren, wie Fernando Pessoa einmal geschrieben hat. Aber im Grunde will man das Leben doch nur dann ignorieren, wenn es so geworden ist, wie man es nicht haben wollte. Ich finde, Literatur muß die Welt nicht zwangsläufig draußen vor der Tür lassen - im Gegenteil! Oft genug holt sie die Welt auch zu uns herein. Vielleicht bin ich ein hoffnungsloser Romantiker, aber warum sollte das, was sich jemand für ein Buch ausgedacht hat, nicht auch im wahren Leben vorkommen können? Literatur kann ein wunderbarer Weg in die Wirklichkeit sein, weil sie uns die Augen öffnet für alles, was passieren kann. Was jeden Tag passieren kann! Nehmen Sie nur den heutigen Tag. Erst war es ein ganz normaler Donnerstag im April. Jetzt ist es der wichtigste Donnerstag meines Lebens. Ich befinde mich im Ausnahmezustand. Bin schon mitten drin in einer Geschichte. In einem Roman, wenn Sie so wollen, von dem ich das Ende noch nicht weiß, weil ich dummerweise nicht der Autor bin. Der Tag fing damit an, daß ich den Wecker überhörte, also nicht gerade spektakulär. Als ich unter der Dusche stand, klingelte das Handy - mein Freund Nathan, der wissen wollte, ob ich am Abend mit ihm ins Bilboquet gehe, seine erklärte Lieblingsjazzbar, in der schon Ella Fitzgerald gesungen hat. Aus meinen Haaren tropfte das Wasser, und ich sagte, klar, warum nicht, laß uns später noch mal telefonieren. Nathan ist einer der unkompliziertesten Menschen, die ich kenne; die Mädchen umlagern ihn in Scharen, und die Abende mit ihm sind immer lustig. Ich trank einen Espresso im Stehen, überflog die Zeitung, und dann machte ich mich auf den Weg in die Buchhandlung. Es hatte geregnet, und die kleinen Straßen sahen aus wie frisch gewaschen. Vormittags war nicht viel los, und ich habe mit Julie das Schaufenster neu dekoriert. Julie ist meine Compañera in der Librairie du Soleil und die Königin der Ratgeber auf zwei (außerordentlich hübschen) Beinen. Sie haben ein Problem mit Ihrer Schwiegermutter? Sie wollen endlich Ordnung in Ihr Leben bringen? Ihre Freundin ist mit Ihrem besten Freund abgehauen und Sie stehen kurz vor dem Selbstmord? Verzweifeln Sie nicht! Kommen Sie einfach in unsere kleine Buchhandlung in der Rue Bonaparte, und fragen Sie nach Julie. Sie wird Ihnen mit leichter Hand für jedes Problem den entsprechenden Ratgeber heraussuchen. Und das ist genau der Grund, warum ich mich nie in Julie verlieben könnte, obwohl sie mit ihren aufgesteckten schwarzen Haaren und dem charmanten Lächeln an die junge Audrey Hepburn erinnert. Eine Frau, die für jedes Problem eine Lösung hat, macht mir irgendwie Angst. Im Gegensatz zu mir hat Julie ihr Leben bestens im Griff. Sie ruht in sich selbst. Sie hat immer einen Plan. Und einen Mann hat sie natürlich auch. Bleibt Antoine, also ich, zweiunddreißig, Inhaber einer halben Buchhandlung und ohne Plan. Ein Mann, der schöne Bücher ebenso zu schätzen weiß wie schöne Dessous und der seinen Kunden nur die Romane ans Herz legt, die ihm selbst gefallen. Eigentlich hätte ich die Mittagspause dringend nutzen sollen, um Hemden in die Reinigung zu bringen und Besorgungen zu machen - der Kühlschrank war heute morgen bis auf ein Stück Chèvre und drei Tomaten selbst für einen Junggesellen ziemlich leer. Doch dann schien nach einem kurzen Aprilschaue