Beschreibung
Johann Gustav Droysen (1808-1884) zählt ohne Zweifel zu den Großen der deutschen Geschichtswissenschaft. Er steht für einen Gelehrtentypus des 19. Jahrhunderts, der theoretisch reflektiertes Geschichtsdenken mit publizistischer Aktivität und zeitweiligem politischem Mandat auf inspirierende Weise miteinander verband. Aber er war auch Philologe und Philosoph. Deshalb werden in diesem Band sowohl seine Werke zur Alten Geschichte als auch seine Übersetzungen altgriechischer Dramen untersucht. Von neuhistorischer Seite wird Droysen als Historiker Preußens und als Wissenschaftsorganisator sowie als liberaler Politiker und Publizist analysiert. Weitere Beiträge nehmen seine Geschichtstheorie und seine historiografische Praxis sowie die Rezeption seines Werkes in den Blick.
Autorenportrait
InhaltsangabeInhalt I. Einleitung Stefan Rebenich/Hans-Ulrich Wiemer 9 II. Droysen als Übersetzer und Interpret des Aischylos Manfred Landfester 29 "Minder philologisch als künstlerisch". Johann Gustav Droysens Aristophanes-Übersetzung Josefine Kitzbichler 63 III. Quellenkritik, historische Geographie und immanente Teleologie in Johann Gustav Droysens "Geschichte Alexanders des Großen" HansUlrich Wiemer 95 "Geschichtslose Völker": Johann Gustav Droysen und der Orient Josef Wiesehöfer 159 Droysens Hellenismus-Konzept. Seine Problematik und seine faszinierende Wirkung Reinhold Bichler 189 Diadochen und Epigonen. Konzept und Problematik der Hellenismusperiodisierung bei Droysen Kostas Buraselis 239 IV. "Großforschung" und Teleologie. Johann Gustav Droysen und die editorischen Projekte seit den 1860er Jahren Wolfgang Neugebauer 261 Droysen als Geschichtsschreiber. Beobachtungen zum Beginn der "Geschichte der Preußischen Politik" Gerrit Walther 293 Das forschende Verstehen, die Objektivität des Historikers und die Funktion der Archive. Zum Kontext von Droysens Geschichtstheorie Wilfried Nippel 337 Die Historik im Kontext der Lehr- und Publikationstätigkeit Droysens Horst Walter Blanke 393 V. "Unser Glaube gibt uns den Trost, daß eine Gotteshand uns trägt". Johann Gustav Droysen als protestantischer Bürger und Historiker Anne Chr. Nagel 427 VI. Zur DroysenRezeption in der Alten Geschichte Stefan Rebenich 453 VII. Autorinnen und Autoren 487 Personenregister 491
Leseprobe
Johann Gustav Droysen (1808-1884) zählt ohne Zweifel zu den Großen der deutschen Geschichtswissenschaft. Er steht für einen Gelehrtentypus des 19. Jahrhunderts, der theoretisch reflektiertes Geschichtsdenken mit publizistischer Aktivität und zeitweiligem politischem Mandat auf inspirierende Weise miteinander verband. Das sicherte ihm, trotz wechselnder Konjunkturen, eine langfristige Rezeption. Mit seinem Namen ist nicht allein der Epochenbegriff "Hellenismus" untrennbar verknüpft, den Droysen in seiner zweibändigen Geschichte des Hellenismus (1836/43; 18772) geprägt hat. Seine Biographie Alexanders des Großen gehört zu den nicht sehr zahlreichen historiographischen Texten des 19. Jahrhunderts, die bis in die Gegenwart hinein immer wieder neu aufgelegt werden, und seine Übersetzungen des Aischylos und Aristophanes haben die Wahrnehmung dieser Autoren im deutschsprachigen Raum bis weit ins 20. Jahrhundert hinein maßgeblich bestimmt. Droysens Werke zur Geschichte Preußens, unter anderem eine Biographie des Feldmarschalls Grafen Yorck von Wartenburg (zuerst 1851-52) und eine fünfzehnbändige Geschichte der preußischen Politik (1855ff.) sind zwar längst aus den Buchhandlungen verschwunden, galten zu ihrer Zeit jedoch als Inbegriff engagierter, "patriotischer" Geschichtsschreibung, erzielten eine beträchtliche Breitenwirkung und beeinflussten die borussische Erinnerungskultur. In seinen Vorlesungen zur Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte versuchte Droysen, eine umfassende Geschichtstheorie zu entwickeln; seine erkenntnistheoretischen und geschichtsphilosophischen Überlegungen verlangen bis heute eine inhaltliche Auseinandersetzung. Schließlich ist nicht zu vergessen, dass Droysen nicht nur zeitlebens ein politisch interessierter, liberal, protestantisch und kleindeutsch-borussisch denkender Intellektueller war, sondern während der Revolution von 1848 auch aktiv Einfluss auf das politische Geschehen nahm, indem er sich als Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung und Schriftführer des Verfassungsausschusses für die Einigung Deutschlands in einer konstitutionellen Monarchie einsetzte. So überrascht nicht, dass Droysens 200. Geburtstag im Jahre 2008 ein willkommener Anlass war, sich mit dieser wirkmächtigen Gestalt wieder näher zu beschäftigen. Wilfried Nippel legte eine vielbeachtete Biographie vor, eine Ausstellung im Foyer der Humboldt-Universität in Berlin ehrte Droysen, eine Sektion auf dem 47. Deutschen Historikertag in Dresden diskutierte an seinem Beispiel in vergleichender Perspektive Möglichkeiten und Grenzen einer europäischen Intellektuellengeschichte, und zwei Tagungen, in Essen und im Schloss Rauischholzhausen bei Gießen, widmeten sich seiner Person und seinem Werk. Schon ein Jahr zuvor war man auf einer Konferenz, die der Sonderforschungsbereich 482 "Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800" unter dem Titel "Was bleibt von der Historik?" veranstaltet hatte, dem Wirken Droysens in Jena nachgegangen. Im Zusammenhang mit dem Jubiläum gab Horst Walter Blanke Texte im Umkreis der Historik und eine umfassende Droysen-Bibliographie heraus. Die verschiedenen Konferenzen und Publikationen hatten weitere Veröffentlichungen zur Folge; so wurde die Bibliothek der Historischen Gesellschaft von Droysen rekonstruiert und seine Biographik analysiert. Der hier vorliegende Band versammelt die zum Teil deutlich überarbeiteten Vorträge der Tagung, die vom 11. bis 13. Juli 2008 im Schloss Rauischholzhausen unter dem Thema "Johann Gustav Droysen - Philologie und Historie, Philosophie und Politik" stattfand. Hinzugekommen ist ein Beitrag Wolfgang Neugebauers, der Droysens neuhistorische Editionsprojekte seit den 1860er Jahren untersucht. Ziel ist eine umfassende Würdigung des Lebens und Wirkens Johann Gustav Droysens, in dessen Person Kompetenzen und Aktivitäten vereinigt waren, die heute auf mehrere wissenschaftliche Disziplinen verteilt sind: Klassische Philologie und Alte Geschichte, Neuere Geschichte und Politikwissenschaft, Philosophie und Wissenschaftstheorie. Um der Vielfalt dieser Aspekte gerecht werden zu können, war die Tagung und ist der Sammelband interdisziplinär und epochenübergreifend angelegt: Neben Droysens klassischen Werken zur Geschichte Alexanders des Großen und des Hellenismus, die Gegenstand mehrerer Aufsätze von althistorischer Seite sind, wird auch Droysens Leistung als Übersetzer griechischer Tragödien und Komödien gewürdigt. Von neuhistorischer Seite wird Droysen als Historiograph Preußens und als Vertreter preußischer Geschichtsschreibung sowie als liberaler Politiker und Publizist beleuchtet. Weitere Schwerpunkte bilden Droysens Theorie von dem Gegenstand und der Methode der Geschichtswissenschaft sowie seine historiographische Praxis. Schließlich gilt das Augenmerk der Nachwirkung Droysens. Nicht in jeder Frage konnte Übereinstimmung erzielt werden, und manche Urteile und Wertungen divergieren. Aber Werk und Wirkung Droysens konnten in ihrer Komplexität abgebildet, innovative Ansätze vorgestellt, gängige Urteile überprüft und neue Perspektiven auf Leben und uvre des preußischen Historikers eröffnet werden.
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Campus Historische Studien