Beschreibung
'Hartz IV', 'Euro-Krise', 'Bürgerversicherung': Wer im politischen Geschehen Begriffe besetzt, nimmt damit immer auch Einfluss auf das politische Denken. Doch wie funktioniert das? Wie übt man Macht durch Sprache aus? Wie kann man politische Diskurse verstehen und führen? Und wie kann man damit die demokratische Willensbildung stärken? In diesem Buch geben Experten und Praktiker die Antworten auf zentrale Fragestellungen der politischen Kommunikation. Was ist ein Diskurs? Wie beeinflussen Diskurse den gesellschaftlichen Wandel, wie verhindern sie ihn? Was sind Frames und wie funktionieren sie? Welche Rolle spielen Emotionen, Narrative und Mythen? Welche Bedeutung haben die Medien, insbesondere das Internet? Mit Beiträgen von Carsten Brosda, Andrea D. Bührmann, Thymian Bussemer, Yasmin Fahimi, Michael Guggemos, Thomas Hoch, Herbert Hönigsberger, Christian Kellermann, Johanna Klatt, Steffi Lemke, Robert Lorenz, Benjamin Mikfeld, Rita Müller-Hilmer, Herfried Münkler, Andrea Nahles, Martin Nonhoff, Andreas Osterberg, Uwe Pörksen, Christina Schildmann, Peter Siller, Jan Turowski, Michael Vester und Elisabeth Wehling
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Autorenportrait
Der 2011 gegründete Verein Denkwerk Demokratie versteht sich als 'Think-net' im sozialökologischen Spektrum.
Leseprobe
Vorwort Yasmin Fahimi, Michael Guggemos, Steffi Lemke und Andrea Nahles Je komplexer und unübersichtlicher Politik wird, desto mehr sind politische Akteure wie Regierungen, Parteien oder auch Verbände und Initiativen darum bemüht, ihren Inhalten durch Sprache Struktur, Tradition und Richtung zu verleihen. Viele begeben sich auf die Suche nach einer "neuen Erzählung" oder nach "Leitbildern". Doch gelegentlich endet diese Suche in einem vermeintlich plakativen Slogan, von dem man schon nach kurzer Zeit wieder enttäuscht ist, weil er leider von Gesellschaft und Medien kaum zur Kenntnis genommen wurde. Dabei gibt es diese "epochalen Formeln", die sich in unsere Erinnerung eingebrannt haben. Ludwig Erhards "Wohlstand für alle", Willy Brandts "Mehr Demokratie wagen" oder Helmut Kohls "geistig-moralische Wende" sind nicht einfach nur politische Statements. Sie stehen für einen Wendepunkt oder eine Phase der Geschichte, der sie eben Struktur, Tradition und Richtung verliehen haben. Erfolgreiche politische Begriffe sind keine Plastikformeln wie "Wir stehen für Zukunft" oder ähnliches austauschbares Gebräu aus den Kampagnenküchen unserer Zeit. Sie sind Ausdruck eines politischen Projektes, das über inhaltliche Substanz verfügt und das Lebensgefühle und Zeitgeist anspricht. Solche Begriffe sind eingebunden in Narrative und politische Diskurse. Doch was ist ein Diskurs? Wie beeinflussen Diskurse den gesellschaftlichen Wandel, wie verhindern sie ihn? Warum gelten bestimmte politische Aussagen als "wahr" und "angemessen" und andere nicht? Was sind Frames, und wie funktionieren sie? Welche Rolle spielen Emotionen, Narrative und Mythen? Welche Bedeutung haben die alten und neuen Medien bei der Vermittlung von "Wahrheiten"? Mit diesem Buch möchten wir theoretisch Interessierten und politischen Praktiker/innen etwas Rüstzeug an die Hand geben: zum einen, um zu verstehen, wie Sprache, Macht und Denken zusammenwirken, zum anderen, um politische Strategien jenseits von bloßer Taktik, Politikwerbung und sprachlichen Manipulationspraktiken wie Spin Doctoring zu entwickeln. Selbstverständlich gibt es nicht den einen Ansatz, um zu verstehen, wie politische "Wahrheiten" entstehen. Darum haben wir verschiedene Autor/-innen aus Wissenschaft und Politikberatung gebeten, sich aus ihrer theoretischen oder beruflichen Perspektive dem Thema zu widmen. Die Beiträge haben unterschiedliche theoretische Hintergründe, doch sie stehen damit nicht zwingend in Widerspruch zueinander, sondern sie ergänzen sich. In ihrem einführenden Beitrag, der auf Arbeiten des "Denkwerk Demokratie" basiert, liefern Benjamin Mikfeld und Jan Turowski einen Überblick über verschiedene theoretische Konzepte und entwickeln einen eigenen Vorschlag für eine "strategieorientierte Diskursanalyse". Im ersten Hauptteil "Politische Diskurse verstehen" werden verschiedene theoretische Zugänge dargestellt. Martin Nonhoff erläutert die Funktionsweise von politischen Diskursen im Ringen um Hegemonie und wirft die Frage auf, ob so etwas wie "Diskurspolitik" möglich ist. Die wichtige Unterscheidung zwischen Elitendiskursen und Alltagsdiskursen ist Thema des Interviews mit Michael Vester, der sich dem Thema aus einer milieutheoretischen Perspektive nähert. Welche Rolle spielen Emotionen in der Politik - und sind diese "messbar"? Eine Antwort auf diese Frage liefern Thomas Hoch und Rita Müller-Hilmer, die ein Konzept aus der Marktforschung auf die Politik übertragen. Ein Begriff aus der Diskursforschung ist der des "Dispositivs", das auch als "Infrastruktur" von Diskursen verstanden werden kann. Andrea D. Bührmann erläutert im Interview, wie diese Dispositive in unserer Gesellschaft Einfluss auf unser Denken und Handeln ausüben. Dass politische Kommunikation immer auch das Erzählen von Geschichten ist, wird im Beitrag von Herfried Münkler über die Bedeutung von politischen Mythen deutlich. Für ihn ist die "große Erzählung" eine politische Ressource. Den Blick auf Alltagskultur und Alltagsdiskurse richten die beiden Beiträge von Thymian Bussemer und Herbert Hönigsberger. Bussemer greift Erkenntnisse unter anderem aus den Cultural Studies auf, um die Bedeutung des "Populären" und des Lebensalltags bei der Herausbildung von Hegemonie herauszuarbeiten. Hönigsberger widmet sich den neuen Möglichkeiten des Internets hinsichtlich der Erforschung und Analyse von Alltagsdiskursen. Der zweite Hauptteil widmet sich dem Thema "Politische Diskurse führen". Elisabeth Wehling stellt auf Basis des "Framing-Konzepts" dar, welche Aspekte bei der Verwendung von politischen Begriffen und Metaphern zu beachten sind. Anhand einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung legt Christina Schildmann dar, wie groß die Kluft zwischen "Politiksprache" und der Politikrezeption bei Jugendlichen ist. Sie macht Vorschläge, wie diese Kluft überbrückt werden kann. Nach welchen Spielregeln die Medien mit Politik umgehen und welche Regeln dabei wiederum von politischen Akteuren zu beachten sind, verdeutlicht Carsten Brosda in seinem Beitrag. Die politische Kommunikation komplexer sozialpolitischer Reformen ist das Thema von Melanie Diermann. Anhand zweier Beispiele arbeitet sie Schwierigkeiten und Erfolgsbedingungen für Reformstrategien heraus. Mit der Erstellung von politischen Texten beschäftigen sich die folgenden drei Beiträge. Peter Siller erläutert am Beispiel der Grünen die konzeptionelle Arbeit an einem politischen Programm. Aus der politikwissenschaftlichen Perspektive beschäftigen sich Robert Lorenz und Johanna Klatt mit der Frage, was ein politisches Manifest ist und wie man es schreibt. Und schließlich stellt Uwe Pörksen dar, was eine gute politische Rede ausmacht und was sie vom alltäglichen Palaver unterscheidet. In einer abschließenden Fallstudie nehmen Christian Kellermann und Benjamin Mikfeld den Bundestagswahlkampf 2013 unter die Lupe. Sie fragen danach, inwieweit in den Jahren zuvor aufgebaute Interpretationen der Finanzkrise und der Eurokrise die Themen und den Wahlausgang mit bestimmt haben. Dabei richten sie ihren Blick auch auf bestimmte Schlüsselbegriffe der Diskursführung in den zurückliegenden Jahren. Dieses Buch ist im Rahmen eines Projektes des "Denkwerk Demokratie" entstanden, das sich mit der Frage beschäftigt, inwiefern politische Diskurse gesellschaftlichen Wandel blockieren oder ermöglichen. Über Kritik, Anregungen und Diskussionsbeiträge freuen wir uns. Wir danken allen Autorinnen und Autoren für ihre Mühe. Ebenso gilt unser Dank Lisa Maas für die Unterstützung bei der Erstellung des Buches und abermals Jürgen Hotz vom Campus Verlag für die gute Zusammenarbeit.
Schlagzeile
Besser kommunizieren können in der Politik