Beschreibung
Forschendes Lernen könnte die Lehre an Universitäten und Fachhochschulen revolutionieren: Im Zentrum steht dabei Lernen durch Selberforschen. Dies erfordert ein Umdenken sowohl bei Studierenden als auch in Lehrbetrieb und Verwaltung: aus Lehrkräften werden Coaches. Das Buch beleuchtet das Forschende Lernen in mehr als zwanzig Fächern - als eine neue Methode des Verstehens und Begreifens, der Verknüpfung von Theorie und Praxis und auch als Vorbereitung auf komplexe Aufgaben im Berufsleben. Das Buch profitiert von den Erfahrungen aus dem »Qualitätspakt Lehre«, an dem fast 200 Hochschulen beteiligt sind. Mit diesem Programm investieren Bund und Länder mehrere Milliarden, um Hochschullehre neu zu gestalten.
Autorenportrait
Harald A. Mieg, Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin, ist Leiter des nationalen Forschungsprojektes ForschenLernen. Judith Lehmann, Kulturwissenschaftlerin, ist Lehrbeauftragte an der Universität der Künste Berlin.
Leseprobe
Vorwort Judith Lehmann Eine Menschenmenge: Noch sind hier nicht die avisierten 3.000 Studierenden versammelt, aber es sind mindestens Hunderte. Sie stehen alle in der Schlange vor dem "Campus Sports & Recreation Center" der Eastern Washington University (Spokane/Cheney), um sich für die 29. "National Conference on Undergraduate Research" zu registrieren. Wer zu einer solchen Konferenz reist, kann erleben, wie Studierende aus den ganzen USA in Vorträgen, Postersessions und Kunstperformances ihre eigene Forschung präsentieren; wie Betreuende und Studierende als Teams agieren, Studierende sich auch als Vertreter/innen ihres eigenen Fachs verstehen und sich mit Peers über ihre Forschungsergebnisse, weitere Studienmöglichkeiten und Jobchancen austauschen. In den USA gehört Forschendes Lernen bzw. "Undergraduate Research" schon seit langem zur hochschulischen Ausbildung. Seit den 1990er Jahren werden an fast allen US-Universitäten sogenannte "Undergraduate Research Opportunities Programs" (UROPs) eingerichtet. Bei jährlichen nationalen Konferenzen haben Studierende aller Fachrichtungen die Möglichkeit, ihre Forschungsergebnisse zu präsentieren. Sie werden in den USA vom nationalen "Council on Undergraduate Research" (CUR) und den jährlich wechselnden Partnerhochschulen organisiert. Auch im deutschsprachigen Raum hat Forschendes Lernen eine lange Tradition. Spätestens seit dem Bericht der Bundesassistentenkonferenz 1970 wird Forschendes Lernen in der deutschen Hochschuldidaktik diskutiert. Durch den Qualitätspakt Lehre bekommt Forschendes Lernen seit 2011 besonderen Aufschwung: Von Hohenheim bis Oldenburg stellen Projekte die eigene Forschung der Studierenden ins Zentrum hochschulischen Lernens. Dabei bleibt mitnichten jede/r für sich: Schon im September 2013 kamen mehr als 150 Expertinnen und Experten aus Lehre und Forschung an der Fachhochschule Potsdam zusammen. Die Konferenz "Forschendes Lernen. Forum für gute Lehre" zählt zu einer der ersten großen deutschsprachigen wissenschaftlichen Veranstaltungen zum Thema. Hochschullehrer/innen und -didaktiker/innen, wissenschaftliche und Projektmitarbeiter/innen einte der Ansatz, dass eigene Forschung für Studierende eine einzigartige Möglichkeit ist, ein spezielles Kompetenzprofil zu erwerben, darüber hinaus Studienabbrüche zu verhindern, Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und vieles mehr. In Forschungspanels, Posterpräsentationen und Workshops wurden Theorie und Praxis Forschenden Lernens ausgelotet. Praktische Hürden - wie dem Forschenden Lernen zuwiderlaufende Lehrkonventionen, rigide Prüfungs- und Studienordnungen und knappe Ressourcen - wurden ebenso in Angriff genommen wie theoretische Baustellen, etwa noch ausstehende begriffliche Klärungen. Die Potsdamer Konferenz war Ausgangspunkt einer intensiven und nachhaltigen Vernetzung: Viele Tagungen folgen - nun auch erste deutschsprachige Studierendenkonferenzen nach angloamerikanischem Vorbild. Unser Buch greift all diese Diskussionen auf, vertieft sie und führt das bestehende Wissen zusammen. Es zeigt nicht nur schon Erreichtes, sondern auch die anstehenden Aufgaben derer, die sich der Umsetzung Forschenden Lernens verschrieben haben. Vom Vorbild aus den USA über die Spezifika der Fächer bis zu den übergreifenden Prinzipien und Perspektiven sind die in diesem Buch versammelten Beiträge Ausdruck der gelingenden Vernetzung und der profunden Expertise der stetig wachsenden Community rund um das Projekt des Forschenden Lernens. Judith Lehmann Projektleiterin FL2 Forschendes Lernen an der Fachhochschule Potsdam Januar 2016 Vorwort Elizabeth L. Ambos Der Paradigmenwechsel vom Auswendiglernen zum fragengestützten, forschungsbasierten Unterricht geht vonstatten, ist aber noch nicht vollendet. Neue Perspektiven und Erfolgsgeschichten sind wichtig, um den Änderungsprozess zu beschleunigen und das gemeinsame Vertrauen in das Ziel, Forschung und Unterricht zu kombinieren, zu stärken. Dies ist ein Grund, warum "Forschendes Lernen: Wie die Lehre in Universität und Fachhochschule erneuert werden kann" eine solch willkommene Ergänzung zur zunehmenden Literatur zum weltweiten Paradigmenwechsel an Hochschulen ist. Herausgegeben von Harald Mieg und Judith Lehmann bietet dieser ehrgeizige Band eine umfassende Übersicht über den Status des Forschenden Lernens an deutschen Hochschulen. Er vermittelt eine Vision, wie Hochschulbildung sich gestalten könnte, wenn Dozierende und Einrichtungen einen stärkeren Fokus auf die Forschung im Studium legten. In mancherlei Hinsicht beschreitet der Band gut bereitete Pfade. Die Kapitel, aus denen sich der Abschnitt "Prinzipien" zusammensetzt, legen die zugrundeliegenden Philosophien für die Neuausrichtung der Bildung auf die Erfahrung der Studierenden dar. Ihre Grundsätze werden Leser/innen von Publikationen des "Council on Undergraduate Research" sowie von führenden Wissenschaftler/innen und Praktiker/innen in Großbritannien (zum Beispiel Healy/Jenkins, 2009) und Australasien (zum Beispiel Brew, 2010) vertraut vorkommen. Viele weitere Aspekte der Publikation sind sui generis und porträtieren zwei unterschiedliche, sich ergänzende/konkurrierende Systeme, die in der höheren Bildung in Deutschland bestehen: die Universitäten und die Fachhochschulen. Die Kapitel zum Forschenden Lernen in unterschiedlichen Fachbereichen, von den Naturwissenschaften bis zu den Angewandten Künsten (Architektur) und Sozialwissenschaften (Sozialarbeit), illustrieren sowohl die Breite des Forschenden Lernens an deutschen Hochschulen als auch das wachsende Bewusstsein der Fachöffentlichkeit in Bildungsfragen. Der letzte Abschnitt des Buchs, "Perspektiven", gibt faszinierende Einblicke in die Zukunft des grundständigen Studiums in Deutschland (und in der Europäischen Union) und stellt eine Verknüpfung zwischen dem Forschenden Lernen und der wirtschaftlichen Entwicklung her. Wie in den USA führt die zunehmende Erkenntnis, dass Studierende die Fähigkeit, Energie und Intelligenz besitzen, anspruchsvolle Forschungsprojekte zu verfolgen, auch in Deutschland zu der Bereitschaft, in ihre unternehmerischen Aktivitäten zu investieren. Würde die Verbesserung und Erweiterung des Forschenden Lernens dazu führen, dass mehr Forschungserkenntnisse auf den Markt gelangen? Und dass neue Industrien und Unternehmen von studentischen Forscher/innen angeführt werden? In einer höchst industrialisierten und hochmodernen Wirtschaft wie der deutschen wird eine höhere Investition in von Dozierenden betreuten Forschungsprojekten an Hochschulen mit Sicherheit beträchtliche wirtschaftliche und soziale Dividenden nach sich ziehen. Es kann sicherlich keinen besseren Grund geben, den Schwerpunkt auf das Forschende Lernen zu verschieben, als die Möglichkeit, den Unterricht zu bereichern und neu zu gestalten, den Erfolg und die Akkulturation der Studierenden zu fördern und die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Brew, A. (2010). Imperatives and challenges in integrating teaching and research. Higher Education Research and Development, 29 (2) 139-150. Healey, M./Jenkins, A. (2009). Developing Undergraduate Research and Inquiry. York: HE Academy. Abgerufen am 05.12.2015 von https://www.heacademy.ac.uk/sites/default/files/developingundergraduate_final.pdf Elizabeth L. Ambos Vorsitzende Council on Undergraduate Research Dezember 2015 Der Council on Undergraduate Research (CUR, zuständig für Forschendes Lernen) und seine angeschlossenen Hochschulen, Universitäten und Privatpersonen verfolgen das gemeinsame Ziel, erstklassige Forschungsmöglichkeiten im Studium für Dozierende, Verwaltungsmitarbeiter/innen und Studierende an allen Studieneinrichtungen zu schaffen. Undergraduate Research gehört zu den am schnellsten wachsenden Angeboten der höheren Bildung in den USA. Insgesamt werden ungefähr 70 Hochschulen und Universitäten vertreten. Mehr über den CUR gibt es unter: http://www.cur.org. Das Vorwort wurde aus dem Amerikanischen übersetzt. Einleitung: Forschendes Lernen...