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Bildung - Macht - Eliten

Zur Reproduktion sozialer Ungleichheit, Festschrift für Michael Hartmann

Erschienen am 15.11.2015, 1. Auflage 2015
42,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593504841
Sprache: Deutsch
Umfang: 326 S.
Format (T/L/B): 2.1 x 21.3 x 14.2 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Gehören Bildung, Macht und Elite untrennbar zusammen? Der Band vereint Beiträge, die diese Verbindung kritisch in den Blick nehmen. Anknüpfend an die Forschungstradition des Eliteforschers Michael Hartmann steht die Frage nach der Bedeutung der sozialen Herkunft im Mittelpunkt: Welchen Einfluss hat sie auf die Erfolgschancen für höhere Bildung, welche auf den Zugang zu gesellschaftlichen Spitzenpositionen? Welche Rolle spielt der Wirtschaftssektor dabei im gesellschaftlichen Machtgefüge? Die Einzelstudien zeigen, dass zwischen sozialer Herkunft und gesellschaftlicher Macht eine enge Verbindung besteht und soziale Ungleichheiten sich über diese Machtverhältnisse reproduzieren.

Autorenportrait

Angela Graf, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie an der TU Darmstadt. Christina Möller, Dr. phil., forscht und lehrt im Fach Soziologie an der Universität Paderborn.

Leseprobe

Einleitung: Bildung - Macht - Eliten Angela Graf und Christina Möller Bildung, Macht und Eliten stehen in einem engen Zusammenhang. Auf der einen Seite stellt Bildung in Form von Wissen und Bildungszertifikaten eine Grundvoraussetzung für den Zugang zu privilegierten gesellschaftlichen Positionen dar - insofern macht Bildung Eliten. Auf der anderen Seite haben gesellschaftliche Eliten aufgrund ihrer Macht über gesamtgesellschaftliche Entscheidungen und Entwicklungen Einfluss auf Strukturen und Rahmenbedingungen des Bildungswesens und damit auch Einfluss auf die eigene (Re-)Produktion sowie die (Re-)Produktion sozialer Ungleichheiten in der gesellschaftlichen Chancenstruktur. Im Zentrum dieses Sammelbandes stehen Aspekte sozialer Ungleich-heit im Hinblick auf die Zugangs- und Erfolgschancen höherer Bildung sowie auf die (damit zusammenhängende) Positionierung im gesamtgesell-schaftlichen Kontext und insbesondere auf den Zugang zu gesellschaftli-chen Spitzenpositionen. Der Begriff der sozialen Ungleichheit wird hierbei im weiteren Sinne gefasst. Es werden sowohl unterschiedliche soziale Merkmale, die zu einem ungleichen Zugang beziehungsweise zu einer un-gleichen Teilhabe an knappen, gesellschaftlich relevanten Ressourcen füh-ren, als auch unterschiedliche Ungleichheitsdimensionen, nämlich die Chancen- ebenso wie die Verteilungsstruktur in den Blick genommen. Im Zentrum der Betrachtungen steht dabei die Frage nach der Bedeutung und des Einflusses der sozialen Herkunft in diesem Zusammenhang. Diese Schwerpunktsetzung gründet vornehmlich auf den Verdiensten Michael Hartmanns, dem dieser Sammelband gewidmet ist. Er gilt als der bedeutendste Vertreter der kritischen Elitesoziologie in Deutschland. Eine zentrale Fragestellung, der er sich in zahlreichen empirischen Unter-suchungen widmet(e), ist die Bedeutung der sozialen Herkunft für den Zugang zu gesellschaftlichen Spitzenpositionen und die Rolle des Bil-dungssystems in diesem (Re-)Produktionsprozess gesellschaftlicher Macht-verhältnisse (vgl. u. a. Hartmann 1996; 2002; 2007; 2013). Damit stellt er sich kritisch gegen den gesellschaftlichen Glauben an das meritokratische Prinzip, nach dem Leistung als ausschließliches Allokationskriterium für gesellschaftliche Positionen und damit auch für den Zugang zu Spitzenpo-sitionen fungiert. Dieses Leistungsparadigma ist in unserer heutigen Gesellschaft tief verankert und besitzt legitimatorische Funktion, wobei soziale Ungleichheiten, insbesondere die Bedeutung der sozialen Herkunft, ausgeblendet werden. Zur Verschleierung ungleicher Chancenstrukturen trägt auch das Bildungssystem in nicht unerheblichem Maße bei, so seine in Anlehnung an Pierre Bourdieu und andere kritische Elitesoziologen vertretene These. Diese legitimatorische Funktion der meritokratischen Illusion wird unter anderem gestützt durch die Folgen der Bildungsexpansion. Die prinzipiellen Zugangsmöglichkeiten zu höheren Bildungsinstitutionen führten zweifellos zum partiellen Abbau sozialer Chancenungleichheiten. So konnten Frauen einen Gutteil ihrer strukturellen Benachteiligung im Bildungswesen wettmachen. Gleichzeitig weisen andere Momente sozialer Ungleichheit aber, und dies gilt insbesondere für den Aspekt der sozialen Herkunft, erhebliche Beharrungstendenzen auf - wie jüngst an den Ergebnissen von PISA, IGLU und anderer Studien sichtbar wurde. Die Selektionsmechanismen, die zu diesen ungleichen Verteilungsstrukturen führen, sind hochgradig subtil und tragen daher zum Mythos einer rein auf Leistung basierenden Auslese bei. Während die Geschlechterkategorie insbesondere im Hinblick auf un-gleiche Teilhabechancen an beruflichen Spitzenpositionen zum Politikum avancierte, da Frauen in allen einflussreichen Positionen, vor allem aber in Elitepositionen, nach wie vor eklatant unterrepräsentiert sind, ist der Einfluss der sozialen Herkunft bislang vor allem Gegenstand des sozialwissenschaftlichen Diskurses. Dass in Deutschland starke herkunftsspezifische Bildungsungleichheiten existieren, ist kein neuer, sondern ein seit vielen Jahren immer wiederkehrender Befund der Bildungs- und Ungleichheitsforschung. Inwiefern diese Befunde jedoch bildungspolitisch und medial aufgegriffen werden und damit öffentlich thematisiert und problematisiert werden, hängt von konjunkturellen Schwankungen ab. Michael Hartmann (2008) stellt hierzu fest, dass Chancenungleichheiten vor allem durch gesellschaftliche Schockerlebnisse (ebd.: 209) zum Thema bildungspolitischer Debatten werden und macht dies an den Beispielen des sogenannten Sputnik-Schocks in den 1950er-Jahren und des sogenannten PISA-Schocks Anfang der 2000er-Jahre fest. Der Sputnik-Schock offenbarte den westlichen Gesellschaften, dass sie dem technologischen Entwicklungsvermögen der damaligen Ostblock-Staaten unterlegen waren. Dieses Ereignis gilt als einer der Ursachen dafür, dass als langfristige Folge eine groß angelegte Bildungsexpansion initiiert wurde, die eine Höherqualifizierung vieler Berufssparten erzeugte. Vormals nur für die Oberklasse zugängliche Universitäten wurden sozial geöffnet und ließen deutlich größere Bevölkerungsgruppen an höherer Bildung teilhaben. Neben rein wirtschaftspolitischen Interessenlagen mischten sich auch bürgerrechtliche Postulate (Bildung als Bürgerrecht), die forderten, dass die Bildungschancen für alle Personen, unabhängig von den familiären Ressourcen, gewährleistet werden müssen (Dahrendorf 1965; Hamm-Brücher 1964; Picht 1964). Als Synonym für benachteiligte Gruppen galten insbesondere Arbeiterkinder, wobei sich der Blickwinkel auch auf Geschlechterdimensionen verstärkte. In der Bildungs- und Sozialstrukturforschung gilt es jedoch nach wie vor als umstritten, inwiefern die Bildungsexpansion tatsächlich zu einer Reduktion von sozialen Ungleichheiten bei der Bildungsteilhabe geführt hat, zumindest was die soziale Herkunft betrifft. Spätestens im Laufe der 1990er-Jahre bis zur Veröffentlichung der in-ternationalen PISA-Ergebnisse verschwand das Thema der Bildungschan-cen weitgehend sowohl in den bildungspolitischen Debatten als auch in den sozialwissenschaftlichen Forschungsagenden (Löw/Geier 2014). Erst durch "die vor allem für das deutsche Bildungsbürgertum niederschmet-ternden Resultate der international vergleichenden Bildungsstudien wie PISA und das Fehlen deutscher Universitäten auf den vorderen Plätzen der internationalen Hochschulrankings" (Hartmann 2008: 209) brachen wieder verstärkt Debatten über die Problematiken des deutschen Bildungswesens aus. In wissenschaftlichen Zusammenhängen geriet insbesondere der im internationalen Vergleich hohe Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft von Schülerinnen und Schülern und ihrem Erfolg im deutschen Bildungssystem in den Fokus, da die in der Bildungsexpansion angestrebte Chancengleichheit sich weitgehend als Illusion entpuppte. Während die sozialwissenschaftliche Forschung inzwischen zwar fun-dierte Befunde über herkunftsspezifische Bildungsungleichheiten liefert, liegen nur wenige Erkenntnisse über die Ursachen vor. Für den Zugang zu mit Macht und Einfluss ausgestatteten Positionen werden die Bedeutung und der Einfluss der sozialen Herkunft bislang seitens der Forschung nur sehr zögerlich beleuchtet. In der Öffentlichkeit ist das Thema bislang kaum ernsthaft angekommen. Michael Hartmann kann zweifelsohne als einer der bedeutsamsten Vorreiter auf diesem Themengebiet angesehen werden. Ihm gebührt nicht nur das Verdienst, die Frage des Einflusses der sozialen Herkunft auf den Zugang zu Spitzenpositionen und den Zusammenhang zwischen Bildung und Elite wissenschaftlich anhand umfangreichen empirischen Datenmaterials aufgearbeitet zu haben und damit die Grundlage für eine öffentliche Debatte geschaffen zu haben. Darüber hinaus hat er in vielfältiger Weise durch sein hohes Engagement im disziplinübergreifenden wissenschaftlichen Raum, genauso aber auch durch seine außerordentliche mediale Präsenz dazu beigetragen, die Erkenntnisse aus dem wissens...