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Die Schöne des Herrn

Roman

Erschienen am 13.09.2013
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608939392
Sprache: Deutsch
Umfang: 891 S.
Format (T/L/B): 5.1 x 21.5 x 13.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

'Wenn ich jetzt sagen müsste, welches das schönste Buch ist, was ich in meinem Leben gelesen habe, wäre es dieses.' Elke Heidenreich, SF Literaturclub, 16.10.2012 'Ein verstörender Roman von großer erotischer Kraft. etwas Kitsch wetterleuchtet darüber hin, was den Genuss keinesfalls beeinträchtigt, ihn sogar erhöht. Im Kern ungeheuerlich: der Untergang des europäischen Judentums gespiegelt in einer verzweifelten Affäre.'  Sibylle Lewitscharoff Der reiche und schöne Solal, jüdischer Diplomat beim Völkerbund, verführt zu Beginn der 30erJahre Ariane, die Frau eines Kollegen. Was als prickelnde Affäre beginnt, wird rasch zu einer beide Partner verschlingenden Passion. Nach den lustvollen und rauschhaften ersten Monaten versuchen Ariane und Solal immer verzweifelter, die Leidenschaft füreinander am Leben zu erhalten. Die anfängliche Lust wird zur Qual. Liebe schlägt um in Eifersucht und Entfremdung. Albert Cohens Meisterwerk ist einer der größten Liebesromane des 20. Jahrhunderts und hat bis heute nichts von seiner Wucht verloren.

Autorenportrait

Albert Cohen, geboren 1895 auf Korfu, starb 1981 in Genf. Er gilt als einer der wichtigsten französischsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts. Sein Hauptwerk ist die Romantetralogie 'Solal'. Den größten Erfolg feierte er mit dessen dritten Teil 'Die Schöne des Herrn', der 1968 in Frankreich und 1987 zum ersten Mal bei Klett-Cotta erschien.

Leseprobe

I Er stieg vom Pferd und ging vorbei an den Haselnusssträuchern und Heckenrosen, gefolgt von den beiden Pferden, die der Stallbursche an den Zügeln führte, ging in der raschelnden Stille, mit nacktem Oberkörper in der Mittagssonne, ging und lächelte, seltsam, königlich und siegesbewusst. Zweimal, gestern und vorgestern, war er feige gewesen und hatte es nicht gewagt. Heute, an diesem ersten Maitag, würde er es wagen, und sie würde ihn lieben. In dem Wald, in dem die Sonne ihre Lichtflecken verstreute, dem reglosen, urzeitliche Schrecken bergenden Wald, ging er vorbei am Geflecht des Geästs, schön und nicht weniger edel als sein Vorfahr Aaron, Bruder des Moses, ging, plötzlich auflachend und wie der närrischste Menschensohn sich gebärdend, lachend vor strahlender Jugend und Verliebtheit, plötzlich eine Blume pflückend und hineinbeißend, plötzlich tanzend, ein hoher Herr in hohen Stiefeln, tanzend und lachend in der gleißenden Sonne, die durch die Zweige brach, anmutig tanzend, gefolgt von den beiden artigen Tieren, tanzend im Liebes- und Siegesrausch, während seine Untertanen und Geschöpfe des Waldes ihren sorglosen Beschäftigungen nachgingen, entzückende Eidechsen, die ihr Leben unter den geblätterten Sonnenschirmen der großen Pilze lebten, goldschimmernde Fliegen, die geometrische Figuren in die Luft zeichneten, Spinnen, die aus den rosa Heidebüschen auftauchten und Rüsselkäfer mit ihren vorsintflutlichen Rüsseln beobachteten, Ameisen, die einander betasteten, Losungen austauschten und dann wieder zu ihren einsamen Beschäftigungen zurückkehrten, Spechte, welche die Bäume abklopften, vereinsamte Kröten, die ihre Sehnsucht quakten, Grillen, die schüchtern zirpten, Käuze, die, unverhofft erwacht, schrien. Er blieb stehen, und nachdem er dem Stallburschen liebevoll die Schulter geküsst hatte, nahm er ihm den Koffer für sein Vorhaben ab und befahl ihm, die Zügel an einen Ast zu binden und auf ihn zu warten, so lange auf ihn zu warten, wie es nötig sein würde, bis zum Abend oder noch länger, auf ihn zu warten bis zum Pfiff. 'Und sobald du den Pfiff hörst, bringst du mir die Pferde, und dann, bei meiner Ehre, wirst du so viel Geld haben, wie du nur willst! Denn was ich jetzt wagen werde, hat kein Mann je gewagt, merke es dir, kein Mann, seit die Welt besteht! Ja, Bruder, alles Geld, das du willst!' So sprach er, und vor Freude geißelte er seinen Stiefel mit der Reitpeitsche, und dann ging er seinem Schicksal entgegen, näherte sich dem Haus, in dem diese Frau lebte. Vor der protzigen Villa im Stil eines Schweizer Chalets, deren Außenwände so blankgeputzt waren, dass sie wie Mahagoni glänzten, betrachtete er die Schalen des Windmessers, die sich langsam auf dem Schieferdach drehten, und dann war sein Entschluss gefasst. Den Koffer in der Hand, stieß er vorsichtig die Gartenpforte auf und trat ein. In der Birke, die ihre flammende Krone zur Seite neigte, lärmten die Vögel, offenbar zum Lobe dieser schönen Welt. Um den knirschenden Kies zu vermeiden, wagte er einen Sprung in die mit Muschelwerk eingefassten Hortensienbeete. Vor der großen Veranda angelangt, warf er, im Efeu verborgen, einen Blick durch das Fenster. In dem Salon, dessen Wände mit rotem Samt ausgeschlagen und mit vergoldetem Holz getäfelt waren, saß sie am Klavier und spielte. 'Spiel nur, meine Schöne, du weißt nicht, was dich erwartet', murmelte er. Er kletterte auf den Pflaumenbaum, zog sich zu dem Balkon im ersten Stock empor, setzte den Fuß auf die Kette der Balustrade, legte die Hand auf einen hölzernen Vorsprung, richtete sich auf, erreichte den Sims des Fensters im zweiten Stock, öffnete die halbgeschlossenen Fensterläden, dann die Vorhänge und gelangte mit einem Sprung in das Zimmer. Jetzt war er wieder bei ihr, wie gestern und vorgestern, aber heute würde er sich ihr zeigen, und er würde es wagen. Schnell, die Vorbereitungen. Mit nacktem Oberkörper über den offenen Koffer gebeugt, entnahm er ihm einen alten abgetragenen Mantel und eine mottenzerfressene Pelzmütze und blickte überrascht auf die Krawatte der Ehrenlegion, die seine Finger zufällig berührt hatten. Da sie nun schon einmal da war, rot und schön noch dazu, konnte er sie auch gleich umlegen. Nachdem er sie um seinen Hals geschlungen hatte, stellte er sich vor dem großen Ankleidespiegel in Positur. Ja, fast zum Erbrechen schön. Strenges, von wirrem dunklem Haar gekröntes Antlitz. Schmale Hüften, flacher Bauch, breite Brust und unter der sonnengebräunten Haut die wie geschmeidige Schlangen ineinander verschlungenen Muskeln. All diese Schönheit kommt später einmal auf den Friedhof, hier ein wenig grün, dort ein wenig gelb, ganz allein in einer von der Feuchtigkeit zerfressenen Holzkiste. Schön überrascht würden sie sein, seine Anbeterinnen, wenn sie ihn still und steif in seiner Kiste sähen. Er lächelte ohne Grund und ging auf und ab, von Zeit zu Zeit seine automatische Pistole in der Hand wiegend. Er hielt inne, um diesen kleinen, gedrungenen und stets dienstbereiten Gefährten zu betrachten. Er enthielt bereits die Kugel, die später, ja, später Nein, nicht in die Schläfe, da riskierte man, am Leben zu bleiben und blind obendrein. Das Herz, ja, aber nicht zu tief schießen. Die richtige Stelle lag in dem Winkel zwischen Brustbein und drittem Interkostalraum. Mit dem Füllfederhalter, der auf einem runden einbeinigen Tischchen neben einem Fläschchen Eau de Cologne lag, markierte er den günstigsten Punkt und lächelte. Dort würde sich also das kleine, von schwarzen Pünktchen umrandete sternförmige Loch befinden, nur wenige Zentimeter von der Brustwarze entfernt, die schon so viele Frauen geküsst hatten. Sollte er dieser Plackerei bereits jetzt ein Ende bereiten? Der stets zu Hass und Verleumdung bereiten Bande, die sich Menschheit nennt, Lebewohl sagen? Frisch gebadet und rasiert gäbe er eine recht präsentable Leiche ab, und als Commandeur der Ehrenlegion noch dazu. Nein, zuerst musste das unerhörte Unternehmen gewagt werden. 'Gesegnet seist du, wenn du die bist, die ich zu finden glaube', murmelte er, während unten das Klavier immer noch die wundervollste Musik spielte; er küsste seine Hand, setzte seinen Gang fort, halbnackt und ein absurder Commandeur, und hielt sich dabei, unaufhörlich einatmend, das Fläschchen Eau de Cologne an die Nase. Vor dem Nachttisch blieb er stehen. Auf der Marmorplatte ein Buch von Bergson und Schokoladenpralinen. Nein danke, keine Lust. Auf dem Bett ein Schulheft. Er öffnete es, hielt es an seine Lippen und las. 'Ich habe beschlossen, eine begabte Romanschriftstellerin zu werden. Aber das hier sind meine Anfänge als Schriftstellerin, und ich muss mich üben. Deshalb wird es gut sein, alles in diesem Heft niederzuschreiben, was mir über meine Familie und über mich selbst durch den Kopf geht. Und wenn ich dann die wahren Geschichten erzählt und etwa hundert Seiten damit gefüllt habe, werde ich sie mir wieder vornehmen, um daraus den Anfang meines Romans zu machen, aber mit veränderten Namen. So beginne ich mit einer gewissen Erregung. Ich glaube, dass ich mir die hohe Kunst des Schreibens aneignen kann, wenigstens hoffe ich es. Also jeden Tag mindestens zehn Seiten. Wenn ich mit einem Satz nicht fertig werde, oder wenn es mir zu dumm wird, fahre ich im Telegrammstil fort. Aber in meinem Roman werde ich natürlich nur richtige Sätze schreiben. Und jetzt los! Doch bevor ich anfange, muss ich die Geschichte des Hundes Spot erzählen. Sie hat mit meiner Familie nichts zu tun, ist aber eine sehr schöne Geschichte, die von der moralischen Qualität dieses Hundes und der Engländer zeugt, die sich um ihn kümmerten. Vielleicht bringe ich sie auch in meinem Roman unter. Vor ein paar Tagen las ich im Daily Telegraph (ich kaufe ihn von Zeit zu Zeit, um nicht den Kontakt zu England zu verlieren), dass Spot, eine schwarzweiße Promenadenmischung, jeden Abend um sechs Uhr auf sein Herrchen an der Bushaltestelle in Sevenoaks zu warten pflegte. (Zu viele zu in dem Satz. Muss korrigiert werden.) A... Leseprobe

Schlagzeile

Einer der wichtigsten französischen Romane des 20. Jahrhunderts - neu aufgelegt mit überarbeiteter Übersetzung

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