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MERKUR Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 822

71. Jahrgang, November 2017

Erschienen am 30.10.2017
14,00 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608974614
Sprache: Deutsch
Umfang: 104 S.
Format (T/L/B): 0.7 x 23.5 x 15.3 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Das Novemberheft 2017 (Nr. 822) hat einen kleinen Schwerpunkt zu russischer bzw. sowjetischer bzw. postsowjetischer Gegenwart und Vergangenheit: Der Historiker Karl Schlögel blickt zurück auf das Sankt Petersburg der Oktoberrevolution (und der darauf folgenden Jahre) und fordert eine "Archäologie der Lebensformen", die das Vergangene in der Gegenwart lesbar macht. In Moldau und Transnistrien war Jörg Scheller unterwegs - und berichtet in einer Fotoreportage davon. Der Slawist Felix Philipp Ingold schreibt über die Geschichte des russischen Blicks auf Europa. Und die Schriftstellerin Eleonora Hummel berichtet von einem Besuch in einem Archiv in Odessa, wo sie ihrem vor achtzig Jahren von der sowjetischen Polizei abgeholten Großvater auf die Spur kommt. Außerdem: Jakob Hessing beklagt und erklärt das Verschwinden der israelischen Linken. Christiaan L. Hart Nibbrig sucht zwischen Bildschirmen und Schirmbildern nach seinem verlorenen Schatten. In ihrer Rechtskolumne erklärt Gertrude Lübbe-Wolff, warum die Transnationalisierung des Rechts notwendige Unschärfen produziert. Matthias Dell betrachtet in seiner Medienkolumne den NSU-Prozess im Spiegel der Berichterstattung. Christina Dongowski porträtiert die kanadische Autorin Anne Carson. In seinen Erinnerungen "Die Möwe J." erinnert sich der Schweizer Schriftsteller Dominik Riedo an seinen pädophilen Vater. Und in Harry Walters Fotobeschreibungskolumne geht es diesmal um ein ihm von einer Merkur-Leserin zugesandtes Bild mit einem rätselhaften Schriftzug.

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Autorenportrait

Christian Demand, Jg. 1960, hat Philosophie und Politikwissenschaft studiert und die Deutsche Journalistenschule absolviert. Er war als Musiker und Komponist tätig, später als Hörfunkjournalist beim Bayerischen Rundfunk. Nach Promotion und Habilitation in Philosophie unterrichtete er als Gastprofessor für philosophische Ästhetik an der Universität für angewandte Kunst Wien. 2006 wurde er auf den Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg berufen, wo er bis 2012 lehrt. Buchveröffentlichungen: Die Beschämung der Philister: Wie die Kunst sich der Kritik entledigte (2003), Wie kommt die Ordnung in die Kunst? (2010). Christian Demand ist Herausgeber des >> MERKUR.

Leseprobe

Zitate aus Merkur, Nr. 822, November 2017 Man sah von Petersburg aus manches in Europa schärfer: die "Verbürgerlichung" der ehemals revolutionären Arbeiterbewegung oder den Gang einer Aufklärung, die "von Kant zu Krupp" geführt hatte - so Nikolaj Ern im ersten Kriegsjahr 1915. Man empfand an diesem vorgeschobenen Posten die begrenzte Reichweite des europäischen Weges auf die Höhen der Zivilisation. Karl Schlögel, Sankt Petersburg - Petrograd - Leningrad Seit 2006 baut Palariev das Dorf seines Vaters zu Ehren seiner Ahnen als Ferienresort und Agrarbetrieb wieder auf. Die Hauptattraktion seiner wie ein Ufo in der Steppe gelandeten Anlage ist ein Skulpturenpark mit Helden der Sowjetunion. Überall im Land lässt die prowestliche Regierung diese Skulpturen schleifen. Palariev kauft sie günstig auf und präsentiert sie unter freiem Himmel. Jörg Scheller, Globalisierung im Mikrokosmos Denn nicht nur die Orthodoxie hatte den zionistischen Schulterschluss vollzogen, selbst die Ultraorthodoxie arrangierte sich mit dem Staat. Diese schwarzgekleideten, Kaftan tragenden Juden sind zwar keine Zionisten geworden, denn einer politischen "Erlösung" trauen sie nicht, aber sie haben sich die Sonderbedingungen ausgehandelt, die sie zu festen Partnern des Systems machen. Jakob Hessing, Weltanschauung in der Krise Amerikanische Architekten haben, mit zunehmendem urbanistischen Erfolg, einen Trick gefunden, um den Schatten zu beseitigen, den Hochhäuser in den Schluchten dazwischen werfen: einen Betonzwilling gegenüber zu bauen und beide mit einer spiegelnden Front zu versehen und so zu platzieren, dass die Fassade des nördlicher gelegenen Baus mit Hilfe des einfallenden Lichts den Schatten wegspiegelt, den der südlichere wirft Christiaan Lucas Hart Nibbrig, Das schattenlose Glimmen der Oberfläche Kompetenzunterschiede zwischen den handelnden Akteuren in der EU gibt es natürlich. Aber selbst wenn Rechtssystem und Juristenausbildung sich in allen Mitgliedstaaten auf demselben Niveau befänden, und selbst wenn kontingente Schwächen im Rechtsetzungsprozess der EU erfolgreich abgebaut würden, bliebe es doch dabei, dass die Bedingungen transnationaler Rechtsetzung der Entstehung gesetzestechnisch zufriedenstellender Rechtstexte vergleichsweise wenig förderlich sind. Gertrude Lübbe-Wolf, Diplomatisierung des Rechts Das Bundesamt für Verfassungsschutz, das gerade wegen seiner vielen dubiosen Aktionen im NSU-Komplex mit größter Skepsis behandelt gehörte, wird in der Rolle eines scheinbar objektiven, allwissenden Erzählers verdächtiger krimineller Bewegungen weiterhin kaum hinter-fragt. Es waltet eine bosbachschlichte Solidarität mit den Behörden. Dabei träfe die Kritik ja nicht die niederen Ausführenden, sondern zielte auf Struktur und Führung. Matthias Dell, NSU-Berichterstattung Wäre Eros the Bittersweet nicht eine altphilologische Untersuchung mit Siglen, Bibliografie und Glossar und fast zweihundert Seiten Umfang, könnte man den Text als Programmschrift für eine andere Form des Schreibens lesen. Eines Schreibens, das über die tiefgegrabenen Grenzen zwischen experimentellem und erzählerischem Schreiben, Avantgarde und Bekenntnisliteratur, Tragödie und Slapstick hinwegspringt. Christina Dongowski, Anne Carsons hybrides Schreiben Fjodor Dostojewski hat den eigenartigen Sachverhalt in seinen Aufzeichnungen aus dem Abseits (1864) durch die Formel 2 x 2 = 5 veranschaulicht, die für das im Westen dominante, auf die Gewissheit von 2 x 2 = 4 fixierte Denken schlichter Nonsens ist, in Russland jedoch gern gehandhabt wird: Man befreit sich damit von den Zwängen begrifflicher und argumentativer Korrektheit im Interesse einer höheren, ganzheitlichen, transrationalen Wahrheit, die mehr Glaubens- denn Wissenssache ist. Felix Philipp Ingold, Russlands zwiespältiges Verhältnis zum Westen 2006 erhält mein Vater ein Schreiben von der Nachfolgeorganisation des KGB der Ukrainischen Sowjetrepublik, in dem er auf die Möglichkeit einer Akteneinsi