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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783630871646
Sprache: Deutsch
Umfang: 192 S.
Format (T/L/B): 1.9 x 20.5 x 13.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Die Ostküste der USA mit ihren Landzungen und Inseln wie Martha''s Vineyard ist als Refugium für die Superstars und Megareichen berüchtigt. Aber mittendrin, wo Cape Cod ins Meer ragt, liegt ganz am Ende des Festlands Provincetown, 1720 gegründet und damit eine der ältesten Städte Amerikas. Seit jeher hat diese exzentrische, verwirrend schöne Stadt einen unwiderstehlichen Reiz auf Außenseiter aller Art ausgeübt. Der Spiegel

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Autorenportrait

Michael Cunningham wurde 1952 in Cincinnati, Ohio, geboren und wuchs in Pasadena, Kalifornien, auf. Studium der englischen Literatur in Iowa und an der Stanford-Universität in Kalifornien. Danach arbeitete er als Barkeeper und Werbetexter und schrieb Beiträge für verschiedene Zeitschriften (Esquire, Paris Review). 1988 erschien die Kurzgeschichte "White Angel" in "New Yorker", die dann in die Anthologie "Best American Stories 1989" aufgenommen wurde. Neben zahlreichen Stipendien erhielt er für seinen dritten Roman "Die Stunden" den PEN/Faulkner Award und den Pulitzerpreis. Die Verfilmung The Hours mit Meryl Streep, Julianne Moore und Nicole Kidman als Virginia Woolf bekam einen Oscar. Michael Cunningham lebt heute als freier Schriftsteller in New York City.

Leseprobe

Provincetown steht auf einer schmalen Landzunge an der äußersten Spitze von Cape Cod, einem Widerhaken im Wasser, einem geologischen Glacis, ebenso flach wie fragil, das einst von Baumwurzeln zusammengehalten wurde. Der Großteil der Bäume wurde jedoch von den ersten Siedlern gefällt, und heutzutage, da die Wälder verschwunden sind, besteht das Land, auf dem Provincetown gebaut ist, im wesentlichen aus einer Sandbank, die nur über eine filigrane Verbindung mit dem Festland verfügt und fortwährend vom Wirken der Gezeiten umgestaltet wird. Als Henry David Thoreau Mitte des neunzehnten Jahrhunderts dort hinkam, bezeichnete er es als 'eine dünne Scheibe Land, die flach auf dem Ozean liegt, die bloße Spiegelung einer Sandbank im darüber hängenden Dunst'. Seither hat sich nicht viel verändert, jedenfalls nicht, wenn man es von weitem sieht. Am äußersten Ende des Kaps erbaut, das wie der Schnabelschuh eines Dschinns vor der Küste von Massachusetts ins Wasser ragt, zieht es sich am sanft gekrümmten Spann entlang und ist nicht dem offenen Meer zugewandt, sondern dem dickeren Arm von Cape Cod. Die fernen Lichter, die man bei Nacht auf der anderen Seite der Bucht sieht, stammen von den Nachbarstädten Truro, Wellfleet und Eastham. Wenn man im Hafen am Strand steht, hat man den eigentlichen Ozean im Rücken. Wenn man sich umdreht, quer durch die Stadt und die Dünen auf die andere Seite läuft und dann nach Osten segelt, legt man irgendwann in Lissabon an. Über Land führt nur der Weg, auf dem man hergekommen ist, wieder aus Provincetown fort. Die Stadt ist keineswegs unerreichbar, aber allzu leicht gelangt man nicht dorthin. Im achtzehnten Jahrhundert wurde die einzige Straße, die Provincetown mit dem übrigen Teil von Cape Cod verband, mitunter durch Stürme oder wechselnde Strömungen weggespült, und während dieser Zeit kam man nur mit dem Boot in die Stadt. Selbst wenn das Wetter und der Ozean mitspielten, blieben die Kutschen auf der sandigen Straße häufig stecken und kippten manchmal in die Brandung. Heute ist Provincetown fester und zuverlässiger angebunden. Man kann mit dem Auto hinfahren. Sowohl von Boston als auch von Providence aus dauert die Fahrt fast genau zwei Stunden, falls man nicht in dichten Verkehr gerät, was im Sommer allerdings unwahrscheinlich ist. Man kann von Boston aus auch hinfliegen - fünfundzwanzig Minuten dauert der Flug über die Bucht, und wenn man Glück hat, sieht man vom Flugzeug aus blasende Wale. Im Sommer, von Mitte Mai bis zum Columbus Day, verkehrt von Boston aus zweimal täglich eine Fähre. Provincetown ist von Natur aus ein Ziel. Dort endet das Land; es ist keine Zwischenstation zu einem anderen Ort. Einer seiner Reize besteht darin, daß diejenigen, die dort landen, einiges dafür auf sich genommen haben. Provincetown ist drei Meilen lang und nur etwas mehr als zwei Häuserblocks breit. Zwei Straßen verlaufen von Ost nach West durch die ganze Stadt: die Commercial Street, eine schmale Einbahnstraße, an der fast alle Geschäfte liegen, und die Bradford Street, eine eher befahrbare, zweispurige Straße einen Häuserblock nördlich der Commercial. Die Wohnstraßen, teils kaum so breit wie ein Auto, verlaufen rechtwinklig in einem halbwegs regelmäßigen Schachbrettmuster zwischen der Commercial und der Bradford Street und schlängeln sich nördlich der Bradford in die Dünen oder ins bescheidene Dunkel des verbliebenen Waldes, je nachdem, was das Terrain vorgibt. Obwohl es die Stadt hier schon vor 1720 gab (dem Jahr, in dem sie offiziell gegründet wurde) und sie seither zahllose verheerende Stürme überstanden hat, könnte ein schwerer Hurrikan, der sie mit voller Wucht trifft, alles einfach hinwegfegen, da Provincetown kein Felsfundament, keinerlei festen Halt hat. Es ist auf Sand gebaut, so wie eine Siedlung in der Arktis mehr oder weniger auf Eis steht. Ein Reisender schrieb 1808 an seine Freunde in England, der Sand sei 'so leicht, daß er um die Häuser treibt ... ähnlich wie Schnee bei einem Winters ...