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Odile

Roman, Manesse Bibliothek der Weltliteratur

Erschienen am 14.09.2009
19,95 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783717521860
Sprache: Deutsch
Umfang: 240 S.
Format (T/L/B): 1.5 x 15.4 x 9.5 cm
Einband: Leinen

Beschreibung

Liebesroman und Künstlersatire aus dem Paris der zwanziger Jahre Spleenigen Gurus und absinthbenebelten Künstlern, Spiritisten, Nihilisten, Weltverbesserern, Schwätzern - ihnen allen hat Queneau gelauscht. Seine spottgetränkte Abrechnung mit der surrealistischen Bewegung zählt zum Amüsantesten, was die französische Literatur der Zwischenkriegszeit hervorgebracht hat.Paris der zwanziger Jahre. Desillusioniert und entwurzelt aus dem Marokko-Krieg heimgekehrt, lässt sich der junge Roland Travy im Großstadtleben treiben. Bald gerät er in einen bizarren Zirkel um den selbsternannten Visionär Anglarès, der im Straßencafé an der Place de la République seiner Jüngerschar den gerade aktuellen Stand der Weltdeutung kundtut. Und dann ist da Odile - auch sie das schwarze Schaf einer gutbürgerlichen Familie. Doch Travy hat sich in seinem Weltekel längst häuslich eingerichtet. Erst eine Reise öffnet ihm die Augen, und unversehens schält sich aus der galligen Satire die scheue Geschichte einer ersten Liebe.Ein unklassischer Klassiker der französischen Moderne.

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Autorenportrait

Raymond Queneau (1903 -1976), in Le Havre geboren, Schriftsteller, Philosoph, Mathematiker, schloss sich in den 20er Jahren dem Pariser Kreis der Surrealisten an. Er arbeitete bei Gallimard zunächst als Lektor, wurde 1941 Generalsekretär des Verlagshauses und übernahm 1954 die Leitung der "Enzyclopédie de la Pléiade". Der Durchbruch als Autor gelang ihm mit seinem Werk "Zazie in der Metro" (1959), das von Louis Malle 1960 verfilmt wurde.

Leseprobe

Wenn diese Geschichte beginnt, befinde ich mich auf der Straße, die längs der Stadtmauern vom Bou Jeloud zum Bab Fetouh führt. Es hat geregnet. Wasserpfützen spiegeln die letzten Wolken wider. Unter den Nägeln meiner Schnürstiefel klebt der Dreck. Ich bin schmutzig und schlecht gekleidet, ein Soldat auf der Rückkehr von einem viermonatigen Kommando. Vor mir betrachtet ein Araber unbeweglich die Landschaft und den Himmel, Dichter, Philosoph, Edelmann. So beginnt diese Geschichte. Doch sie hat einen Prolog, und wenn ich mich auch nicht meiner Kindheit erinnere, als sei mein Gedächtnis durch irgendeine Katastrophe zerstört worden, so bewahre ich mir doch die Erinnerung an eine Reihe von Bildern aus der Zeit vor meiner Geburt. Später haben mir Leute gesagt, dass es einfach nicht möglich sei, so geboren zu werden, mit einundzwanzig Jahren, die Füße im Schlamm, Sümpfe um sich herum und darüber besiegte Wolken, die ihrem Ziel entgegensegeln; und dennoch ist es so: von meinen ersten zwanzig Lebensjahren bleiben mir nichts als Trümmer, und mein Gedächtnis wurde vom Unglück zugrunde gerichtet. Wenn diese Geschichte beginnt, war ich seit etwa einem Jahr Soldat und hatte gerade vier Monate im Rifgebirge zugebracht. Ich hatte Männer töten und Städte brennen sehen. Ich gehörte zu den Eindringlingen, aber ich verachtete den Stolz meiner schmutzigen, ungebildeten Gefährten, zum größten Teil tapfere Burschen und mit Sicherheit fähig, Schlachtbankhelden abzugeben. Ebenfalls schmutzig, war ich jedoch weniger tapfer. Meine Sympathien galten anderen. Doch ich konnte mich nicht an der Verantwortung vorbeidrücken, und wenn ich auch nicht selbst auf die Chleuhs geschossen hatte, so gehörte ich immerhin zu einem jener Kommandos, die mit hängender Zunge das von Karl Martell und Cid Campeador vorgezeichnete Werk fortsetzten. Als Erstes machten wir an einem Beobachtungsstand halt, der aus Feldsteinen gebaut war, unter denen die Pfiffigsten von uns und die mit den meisten Tressen hausten. Die anderen, zu denen ich gehörte, dämmerten unter einem sogenannten Marabuzelt dahin und hielten jede Nacht drei Stunden Wache. Es regnete unaufhörlich, wie während eines europäischen Krieges, eines großen Krieges. Wir lebten im Rost, und verdorbene Verpflegung hielt uns schwach auf den Beinen. Das dauerte etwa einen Monat; dann führte man uns auf eine kleine Hochebene, die der Wind planierte und die die Militärs für einen Sicherheitsposten hielten. Tatsächlich sah man Mauleselkarawanen, Bataillone von Fremdenlegionären, Partisanen und andere Sehenswürdigkeiten aufwärts- und abwärtswandern. Wir mussten durch einen Fluss waten, um die Suppe holen zu gehen. So wuschen wir uns die Füße. Alles das ist nur mittelmäßig interessant, aber schließlich ist es der Prolog dieser Erzählung, außerdem weiß ich genau, was ich tue. Ich erzähle keine Geschichten ins Blaue hinein. So wuschen wir uns also die Füße. Nachdem die Vorgesetzten sie für sauber genug befunden hatten, brachen wir die Zelte ab und stiegen höheren Gipfeln entgegen, um ein Bataillon abzulösen, ich weiß nicht mehr welcher Art, das man anscheinend unaufhörlich in den Einsatz schickte. Wir wurden in ganz kleine Vorposten eingeteilt; der unsere lagerte um das Grab eines heiligen Muselmanen. Eine Quelle war der Mittelpunkt des Bataillons, und in der Nähe des Berberdorfes verkaufte ein Händler Wein und Konserven. Wir waren ganz nahe an der Grenze von Spanisch-Marokko, und die Dörfer, die vor uns lagen, leisteten noch Widerstand. Man bombardierte sie auf alle Arten von Weisen. In der Ferne konnte man ein großes Dorf sehen, das mir als ein Mekka erschien. Ich hoffte, dass wir bis dorthin gehen würden; die Reiselust, verstehen Sie. Außer dem Grab gab es noch eine Kanone und einen Spezialisten, der damit schoss. Sah er dort unten zwei oder drei Araber, zielte er sie sofort an und schoss daneben. Er zerstreute sich auch damit, dass er auf Aloeblätter Aquarelle malte und das Liedchen sang: "Er konnte lügen, dass sich die B Leseprobe