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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783717522126
Sprache: Deutsch
Umfang: 192 S.
Format (T/L/B): 1.8 x 20.6 x 13.1 cm
Einband: Leinen

Beschreibung

«Die Manesse-Bibliothek bringt endlich wieder einen Südamerikaner, zudem einen Krimi, gar von zwei mit der Gattung vertrauten argentinischen Autoren und mit einem Nachwort eines gewieften Österreichers. Dieses zu lesen, lohnt sich in diesem Fall besonders, denn der Österreicher Heinrich Steinfest, selber ein Krimiautor, schreibt informativ, kenntnisreich und witzig... [Eine junge Frau wird mit Strychnin vergiftet.] Wer tut so etwas? Mit der Antwort auf diese Frage füllen die Autoren die nächsten 160 Seiten, genüsslich, ironisch und verwirrend.» NZZ «Das argentinische Literatenpaar Silvina Ocampo und Adolfo Bioy Casares erlaubt sich mit 'Der Hass der Liebenden' einen dezent snobistischen Spaß, der Agatha Christie originell mit dem Surrealismus kreuzt.» Stern «Wem eine elegante Sprache und wohldosierte Spannung gefällt, der sollte mit diesem Titel eine literarische Entdeckungsreise durch die Werke der beiden Autoren beginnen.» Bolero

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Leseprobe

Wohltuend und geschmacklos zergehen mir die letzten Arsenglobuli (Arsenicum album)im Mund. Auf dem Schreibtisch zu meiner Linken liegt eine schöne Bodoni-Ausgabe des 'Satyricon' von Gaius Petronius. Zu meiner Rechten steht das Tablett mit dem aromatischen Tee und dem feinen Porzellan sowie den Gläschen mit dem nahrhaften Inhalt. Man könnte sagen, die Buchseiten sind von der häufigen Lektüre abgegriffen; der Tee kommt aus China; die Toastscheiben sind hauchdünn und knusprig; der Honig stammt von Bienen, die sich an Akazienblüten, Ringelblumen und Flieder gütlich getan haben. In diesem begrenzten Paradies werde ich also beginnen, die Geschichte von dem Mord in Bosque del Mar zu erzählen. Meiner Ansicht nach muss sich das erste Kapitel im Speisewagen des Nachtzugs nach Salinas abspielen. Meine Tischnachbarn sind ein befreundetes Ehepaar - keine Literaturkenner, dafür aber erfolgreiche Viehzüchter - sowie eine namenlose Señorita. Beflügelt von der Consommé setzte ich sie ausführlich über mein Vorhaben ins Bild: Auf der Suche nach einer erquicklichen und inspirierenden Einsamkeit - mit anderen Worten: auf der Suche nach mir selbst - sei ich auf dem Weg in diesen neuen Badekurort namens Bosque del Mar, den wir, die Raffiniertesten unter den Naturliebhabern, ausfindig gemacht hätten. Schon seit Längerem hegte ich diesen Wunsch, doch wegen der Anforderungen meiner Praxis - ich gehörte, wie ich gestehen müsse, der Zunft des Hypokrates an - habe sich mein Urlaub immer wieder hinausgeschoben. Das Ehepaar nahm meine freimütigen Ausführungen interessiert zur Kenntnis: Wenngleich ich ein angesehener Arzt sei - ich folgte unbeirrt dem von Hahnemann vorgezeichneten Weg -, verfasste ich mit wechselndem Erfolg Filmdrehbücher. Jetzt hätte mich die ' Gaucho Film Inc. ' damit beauftragt, das tumultreiche Buch von Petronius in die Gegenwart zu übertragen und an einen argentinischen Schauplatz zu verlegen. Eine Zeit der Abgeschiedenheit am Meer sei somit unvermeidlich. Anschließend zogen wir uns jeder ins eigene Abteil zurück. Als ich eine Weile später in die Eisenbahnwolldecke eingewickelt dalag, labte sich mein Geist noch an dem wohligen Gefühl, verstanden worden zu sein. Eine plötzliche Sorge trübte allerdings dieses Glück: Hatte ich nicht voreilig gehandelt? Hatte ich diesem unwissenden Ehepaar nicht selbst alle notwendigen Elemente in die Hände gespielt, mit denen sie mir meine Ideen nun streitig machen konnten? Dann sah ich ein, dass es müßig war, weiter darüber nachzugrübeln. Mein folgsamer Geist suchte Trost in der Vorfreude auf den Anblick der Bäume an der Atlantikküste. Doch vergebliche Mühe. Noch befand ich mich am Vorabend dieser Pinienhaine ^ Wie Betteredge zu 'Robinson Crusoe' griff ich also zu meinem Petronius. Mit neu aufflammender Bewunderung las ich den Abschnitt: 'Darum halte ich es für ausgemacht, dass die jungen Leute in den Rhetorikschulen zu Vollidioten werden, weil sie dort nichts von dem, was in unserer Rechtspraxis gang und gäbe ist, zu hören und zu sehen bekommen, nein, nur von Piraten, die in Ketten am Strand stehen, ist die Rede, von Tyrannen, die Erlasse zu Papier bringen, in denen sie söhnen befehlen, den eigenen Vätern die Köpfe abzuschlagen, von Orakelsprüchen, die zwecks Abwehr einer Seuche dazu raten, drei oder mehr Jungfrauen zu opfern Dieses Urteil hat bis heute seine Gültigkeit nicht verloren. Wann werden wir endlich auf den Kriminalroman, die phantastische Erzählung und dieses ganze so ergiebige wie hochtrabende Feld der Literatur verzichten, das sich aus der Unwirklichkeit speist? Wann werden wir uns wieder dem ergötzlichen Schelmenroman und dem unterhaltsamen Sittengemälde zuwenden? schon zog Meeresluft durchs Abteilfenster herein. Ich schloss es und sank unverzüglich in schlaf. II Getreu meinen Anweisungen weckte mich der Steward um sechs Uhr morgens. Ich vollzog eine knappe rituelle Waschung mit dem restlichen Wasser aus der Halbliterflasche Villavicencio, die ich mir vor dem Schlafengehen

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