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Mein langer Weg in die verbotene Stadt

Briefe aus Tibet, Die Kühne Reisende

Erschienen am 25.09.2018, 1. Auflage 2018
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783737400466
Sprache: Deutsch
Umfang: 192 S.
Format (T/L/B): 1.8 x 22.5 x 13.7 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

'Wenn schon sterben, dann ziehe ich die Straße vor, irgendwo in der Steppe, mit dem schönen Himmel über meinem Kopf, statt in einem Zimmer von dem Bedauern getötet zu werden, nicht genug Mut gehabt zu haben', schrieb Alexandra David-Néel im März 1920 aus dem chinesischen Kum-Bum an ihren Mann. Schon einmal, 1916, hatte sie versucht, nach Lhasa, in die verbotene Stadt, den Sitz des 13. Dalai Lama, zu gelangen, war aber an der Grenze nach Tibet zurückgewiesen worden. Nun unternimmt sie einen zweiten Versuch. Mit Aphur Yongden, einem jungen Mönch, macht sie sich im Februar 1921 auf den Weg - allen Verboten und Widerständen zum Trotz. Es ist ein gefährlicher Weg durch 'Himmel und Hölle'. Durch Bürgerkriegsgebiet, bedroht durch marodierende Soldaten und Räuberbanden. Tausende Kilometer lange Märsche durch die Wüste, über hohe Berge und durch tiefe Schluchten liegen hinter ihnen, als sie, abgemagert bis auf Haut und Knochen, im Februar 1924 die magische Stadt erreichen, heimlich. Denn wurde man erwischt, drohten Verhaftung, Gefängnis und sogar die Todesstrafe.

Autorenportrait

Alexandra David-Néel, geboren am 24. Oktober 1868 in Paris, Forschungsreisende, Gelehrte, international erfolgreiche Autorin von über 30 Büchern, studierte von 1888 bis 1890 als erste Frau an der Sorbonne und am Pariser Institut für orientalische Sprachen und debütierte 1895 erfolgreich als Opernsängerin in Hanoi. Den größten Teil ihres Lebens verbrachte sie in Asien. In Tibet wurde sie als erste Europäerin in den Stand eines Lama erhoben. Am 8. September 1969 starb sie im Alter von 100 Jahren im südfranzösischen Digne-les-Bains. Susanne Gretter studiert Anglistik, Romanistik und Politische Wissenschaft in Tübingen und Berlin. Sie lebt und arbeitet als Verlagslektorin in Berlin. Sie ist Herausgeberin der Reihe DIE KÜHNE REISENDE. Eva Moldenhauer arbeitet seit 1964 als Übersetzerin. Sie übersetzte u. a. Werke von Claude Simon, Jorge Semprún, Claude Lévi-Strauss, Gilles Deleuze, Ágota Kristof, Frantz Fanon. 2015 erschien in der Reihe DIE KÜHNE REISENDE ihre Übersetzung von Alexandra David-Néels Im Herzen des Himalaya. Unterwegs in Nepal.

Leseprobe

Mit Vergnügen schreibe ich dir einen weiteren Brief, in dem ich dir diesmal eine Reise beschreibe, die ein wenig aus dem Alltäglichen herausfällt. Ich bin zwölf Tage in der Mission von Sinkaitze geblieben und habe sie einen Tag nach der Abreise von Abbé Charrier verlassen, der sich über Rongmidrango nach Tatchienlu begibt. Es hat wieder angefangen zu regnen, und der Fluss, der in dieser Jahreszeit schon normalerweise viel Wasser führt, ist über die Ufer getreten und hat die Gegend überschwemmt. Am ersten Tag ist, von dem Regen abgesehen, alles gut gegangen. Wir kamen bei Dunkelheit zu einer Art kleinem chinesischen Tempel, der auch als Schule dient. Der Lehrer und die Schüler kommen nur tagsüber hierher, nachts steht der Raum leer. Ich habe mich hier niedergelassen, mitten unter den Göttern: einem ehrwürdigen Greis mit weißem Bart, flankiert von zwei Dienern, von denen der eine menschlich und der andere dämonisch aussah; einem vergoldeten Götzen, über dessen Geschlecht Aphur und ich uns nicht einigen konnten, er hielt ihn für eine Göttin, ich für ein männliches Wesen des Taorre-Olymps, und noch einigen anderen. Ich habe gut geschlafen und rechnete mit einer friedlichen Reise in diesem nicht sonderlich interessanten Tal. Ich denke mir, dass der göttliche Kerl auf seinem staubigen Altar in seinen achtzigjährigen Bart lachte. Wir brechen auf, Sonne und Regengüsse wechseln einander ab, und gelangen am Nachmittag zu einer Brücke, unter der sich ein brodelnder Fluss wälzt. Wie üblich müssen wir die Tiere eines nach dem andern über dieses schwankende Bauwerk bringen. Das erste kommt an, das zweite ist bei der Hälfte der Strecke angelangt. und rums, die aufgehäuften Steine, aus denen die Brückenpfeiler bestehen, fangen an, auf der Seite des Ufers, wo wir landen müssen, langsam einzustürzen. Hastig zieht man an dem Maultier, die Steine regnen weiterhin in den Fluss. Es ist nicht komisch. Die Leute beratschlagen. In einer knappen halben Stunde wird die Brücke unweigerlich zusammenbrechen, und wir kommen nicht weiter. Um hinüberzugelangen, beschließen wir, Bretter zu legen, die am Ende der Brücke die Erschütterung verringern sollen, die das Getrappel der Tiere auf den Steinen des Pfeilers hervorruft. Und auf diese Weise gelangen wir nicht ohne Herzklopfen hinüber, 14 Maultiere und Pferde: meine acht, die gemieteten und ein paar andere, die demselben Maultiertreiber gehören. Ich gehe als letzte hinüber mit Aphur, der mir sagt: Beeilen wir uns, man hört plitsch!, platsch!, plutsch!, die Steine fallen ins Wasser, und die Brücke beginnt zu schwanken und hat Schlagseite wie ein Schiff bei stürmischer See. Endlich haben wir Boden unter den Füßen - ich wage nicht zu sagen festen, so tief ist der Schlamm -, und befinden uns drei oder vier ärmlichen Dorfhäusern gegenüber. Die Leute sagen uns, dass wir nicht weiterkönnten, da die Straße nicht sehr weit von hier unter Wasser stehe. Ich beschließe, mich nicht auf sie zu verlassen und selbst nachzusehen, was es damit auf sich hat.

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