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Die Lange Straße aus Sand

Italien zwischen Armut und Dolce Vita. - Mit einem Nachwort von Peter Kammerer und einer Würdigung von Wolfram Schütte, aus dem Italienischen von Christine Gräbe und Annette Kopetzki, Pasolini-Edition 5

Erschienen am 12.12.2023
28,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783737407182
Sprache: Deutsch
Umfang: 135 S.
Format (T/L/B): 1.6 x 24.4 x 17.4 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Im Jahr 1959 fährt Pasolini mit einem Fiat Millecento die gesamte italienische Küste entlang, eine Reise - 'La lunga strada di sabbia' - ist ein eigenwilliges Dokument dieser Zeit, einer Zeit zwischen dem Ende der Traditionen und der aufziehenden Globalisierung. Peter Kammer, Italien- und Pasolinikenner, erinnert in seinem Nachwort an Pasolini, diesen Autor, Dichter, Regisseur, der schon früh - zärtlich, melancholisch, zornig - vor den Folgen jener Ökonomisierung aller Lebensbereiche warnte, die wir heute erleben; Wolfram Schütte, der legendäre Feuilletonchef der alten Frankfurter Rundschau, resümiert in seiner Würdigung Pasolinis Wirken.

Autorenportrait

Pier Paolo Pasolin geboren 1922, am 2. November 1975 ermordet am von Ostia aufgefunden - 'bleibt ein Faszinosum' (Maike Albath, Deutschlandfunk)

Leseprobe

Von der Grenze bis Ostia Juni Über Frankreich und Italien geht die Sonne unter. Eine Anhäufung von Felsen und Büschen, eine kompakte Masse Land mit Zacken, Senken und Furchen. Unter mir liegt das Landhaus von Coty, ein kleines gelbes Gebäude in einem wild wuchernden Garten. Im rosa Dunst, der in Säulen von oben herabzieht, verschwimmt der Küstenstreifen immer mehr. Die Vorstellung, den Anblick klar, eindeutig und begreifbar wiederzugeben, beunruhigt mich, noch fehlt mir jeder Anhaltspunkt. Ich habe Glück, am Grenzgebäude, das im Halbrund zwischen die Felsen gezwängt ist, wird alles ganz einfach, dank eines Maresciallo der Polizei aus Modena und seines Gefreiten aus Parma. Der Maresciallo ist etwa vierzig Jahre alt, fast schon kahl an den Schläfen: ein Mann, dessen Demut gegenüber den Dingen der Welt, der er dient, sich in wissende Gelassenheit, in Sanftmut fast verwandelt hat. Mit der Gewandtheit eines umsichtigen, etwas verbitterten Gastgebers, der sich gleichwohl darüber amüsiert, wie einfach das Leben ist, das mir so neu und unzugänglich scheint, zeigt er mir den Weg. Und natürlich, alles ist ganz einfach. An der Rückseite des Gebäudes steigt man eine endlose Treppe hinab in einen Hot, der über dem Nichts, über dem grauen Meer schwebt, man geht zwischen Sträuchern und Blumen immer weiter nach unten und gelangt auf einen steinigen Strand. Dort ragen mächtige Säulenreihen auf, einer Semiramis würdig, sie gehören zu einer großen, wegen der nachfolgenden Kriege nie fertiggestellten Hotelanlage im Jugendstil, dahinter eine schäbige Kapelle aus Stein, zwei kleine Unterstände für die Wachen und gleich dahinter die Mündung eines völlig ausgetrockneten kleinen Bachs. Es ist der Rio San Luigi, und mitten zwischen den grauen Steinen in seinem Flussbett verläuft die Grenze. Über die Flussmündung führt eine kleine Brücke, mitten über die Brücke, quer zum Meer, eine Art Mäuerchen aus Zement, hohl und mit Erde angefüllt, in der eine Reihe erschöpfter Geranien rot schimmert. Oben rechts das Landhaus der Voronoffs, vorn das Gebirge, der Passo della Morte und der Salto della Morte, und links, am Wasser, die erste Badende, eine holländische Maid, schön wie eine junge Zypresse.

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