Beschreibung
Solange es Schweigsameres, Hilfloseres, Unbegriffeneres gibt als mich, werde ich die Poesie anrufen, schrieb Eva Schönewerk 1982. Ein Leben lang hat sie das getan. Eine Neugierige, eine Sehende, eine Mitempfindende und Nachspürende, die auf wunderbare Weise fähig war, diese Eigenschaften weiter zu geben vor allem an Kinder und Jugendliche, aber auch an Weggefährten, die ebenso alt oder älter waren."Liebe muß der Wahrheit Schwester sein" umfasst das lyrische Werk von Eva Schönewerk (1946 bis 2009). Der Herausgeber Henry-Martin Klemt wählte die Gedichte aus Manuskripten, Typoskripten und Veröffentlichungen aus, er nutzte Tagebücher, Korrespondenzen, Publikationen, Notizbücher und Zettelsammlungen. Mit mehr als 250 Gedichten zeichnet er Eva Schönewerks Lebenskreise nach. So entsteht das umfassende Bild einer Autorin, für die das poetische Wort das wichtigste Mittel war, Erfahrenes wiederzugeben und zu gestalten. Eva Schönewerks Bildsprache ist reich und präzise, sie kann sich mit großen Vorbildern von Erich Arendt bis Johannes Bobrowski messen. "...Aber man sieht eben nicht nur mit dem Auge. Wenn die Seele, warum auch immer, sich nicht geöffnet hat, dringt nix ins Bewusstsein. Und das geht schnell, wenn alles verstellt ist von Sorgen und Problemen. Ich glaube, daß ich deshalb schon immer schreibe - sehen wollen, die Seele freimachen für das, was vor ihr, um sie herum ist, eine tiefe Art Entspannung, in der sogar Schmerz eine sanftere Form annimmt...", schrieb Eva Schönewerk in einem Brief. Die Seele des Hörenden, des Lesenden zu öffnen, war ihr wichtiger, als ein Urteil zu fällen. Dem Wahrgenommenen sprachliche Gestalt zu geben, schien ihr bedeutsamer als die Reflexion. Lyrik war Randbemerkung des Tages, das vernachlässigte Gespräch, Ermunterung, sich selbst zu stellen; Spaß an der Metapher, Versuch, dem Begriff beizukommen, ihn im Sinnlich-konkreten erlebbar, erfüllbar zu machen, bekannte die Dichterin, die zugleich leidenschaftliche Pädagogin war, Poesiepädagogin, wie sie sich nannte, als sie Heranwachsende zum Schreiben ermutigte. Der Sinn zeigt sich in den Dingen, er offenbart sich im Spiel mit ihnen. Spiel ist Ernst ohne Angst vor dem Unwiderruflichen. Die Dichterin Eva Schönewerk hat daraus Bleibendes geschaffen.Ihr Werk reiht sich ein in die deutsche Natur- und Gesellschaftslyrik des 20. Jahrhunderts. Sie vermittelt ein Frauenbild im Wandel und ein Menschenbild, in dem Nähe größte Sehnsucht und größte Triebkraft ist.
Autorenportrait
Eva Schönewerk:Eva Schönewerk war eine Dichterin von Rang. Wenn sie es wusste, nahm sie es nicht wichtig. Sie hat nie versucht, einen eigenen Gedichtband herauszugeben. Einige ihrer Arbeiten erschienen in Zeitschriften und Anthologien. Wenn sie bei den Lyrikwettbewerben, an denen sie sich eher zufällig und aufs Geratewohl beteiligte, Erste und Zweite Preise erhielt, war sie eher erstaunt.Als Eva Camilla Obst am 5. November 1946 in Kranichfeld geboren, begann sie als Kind zu schreiben und besuchte später den Zirkel schreibender Arbeiter in Weimar. An der Erweiterten Oberschule Bad Berka legte sie das Abitur ab. Die Oberschulzeit war auch geprägt von der Begegnung mit Barbara Albrecht, ihrer Deutschlehrerin, die zur lebenslangen Freundin wurde. In der LPG Mellingen-Köttendorf erhielt Eva Schönewerk die berufliche Grundausbildung zum Agrotechniker. 1965 bis 1969 studierte sie Germanistik und Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann Klaus-Dieter Schönewerk kennen. Zwei Jahre arbeitete sie als Lehrerin in Kölleda. Nach der Hochzeit zog sie 1971 nach Berlin und unterrichtete an der Pestalozzi-Oberschule. 1974 brachte sie ihren Sohn Kai zur Welt, der nur wenige Tage lebte. Von 1979 bis 1982 war Eva Schönewerk im Zentralen Methodischen Kabinett des Ministeriums für Volksbildung tätig. Während ihres Direktstudiums am Literaturinstitut Johannes R. Becher 1982 bis 1986 beschäftigte sich Eva Schönewerk intensiv mit dem Werk des aus ihrem Heimatort stammenden Dichters Rudolf Baumbach (1840 bis 1905), um ihn, wie sie schrieb, aus dem Butzenscheibengefängnis der Literaturgeschichte zu befreien. Ihr Studium musste sie wegen einer Hirnblutung, von der sie sich nur langsam erholte, ein Jahr lang unterbrechen. Danach arbeitete sie mit schreibenden Kindern und Jugendlichen am Pionierpalast Ernst Thälmann / FEZ Wuhlheide. Sie selbst nannte sich Poesiepädagogin. Neugier, Lebendigkeit, Lust an der eigenen schöpferischen Fähigkeit - damit steckte sie nicht nur Heranwachsende an, sondern ermutigte oft auch Erwachsene, sich auf sich selbst zu besinnen. Kunst und Literatur spielten die Hauptrolle dabei.Künstlerische Betätigung jeder Art weckte ihr Interesse: Malen und Zeichnen, Modellieren und Fotografieren, Musizieren. Was sie interessierte, versuchte sie auch selbst ohne den Anspruch, dabei zur Meisterschaft zu gelangen, aber mit dem lustvollen Genuss des schöpferischen Spiels, zu dem sie auch andere immer wieder einlud.
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