Beschreibung
Affektivität und literarische Mehrsprachigkeit sind vielfach miteinander verknüpft, Mehrsprachigkeit ist ohne Affekt kaum denkbar. Die historisch wirkmächtige und bis heute verbreitete Norm der Einsprachigkeit weist vor allem der Muttersprache eine hohe affektive Bedeutung zu. Ihre sichere Beherrschung gilt vielfach als Voraussetzung für Autorschaft und literarisches Schreiben, gebrochenes Deutsch als Provokation des literarischen Betriebs. Die Infragestellung solcher Normen zeigt daher, wie eng Sprache und Affektivität verbunden sind. Dies gilt nicht nur für die soziale Praxis, sondern auch für die Theorie. Die literaturwissenschaftliche Forschung hat diese Beziehung lange ignoriert und die Repräsentation von Affekten und Gefühlen in den Mittelpunkt gerückt. Dagegen stellt der Sammelband erstmals zur Diskussion, inwiefern sich gerade mehrsprachige Literatur durch die Darstellung, den Vollzug und die Reflexion sprachlicher Affektivität auszeichnet. Er verbindet die Einsichten und Befunde der Mehrsprachigkeitsphilologie mit unterschiedlichen Forschungsansätzen zur Affektivität des literarischen Textes, die von psychoanalytischen Theorien über das Feld der Erinnerungs- und Gedächtnistheorie bis zu den jüngeren affect studies reichen. Mit Hugo Ball, Paul Celan, Herta Müller, Feridun Zaimoglu, Yoko Tawada, Marica Bodroi, Katja Petrowskaja und Tomer Gardi sind nur einige der Autorinnen und Autoren genannt, deren Texte im Band untersucht werden.
Autorenportrait
Marion Acker und Matthias Lüthjohann sind wissenschaftliche Mitarbeiter_innen im Teilprojekt Geteilte Gefühle des SFB 1171 Affective Societies an der Freien Universität Berlin.
Anne Fleig ist Professorin für Deutsche Philologie an der Freien Universität Berlin und Leiterin des Teilprojekts Geteilte Gefühle im SFB Affective Societies.
Inhalt
Marion Acker, Anne Fleig, Matthias Lüthjohann: Affektivität und Mehrsprachigkeit Umrisse einer neuen Theorie und Forschungsperspektive
Der geheime Text Terézia Mora im Gespräch mit Anne Fleig
Affekt und Sprachkritik
Till Dembeck: Eine Kulturpolitik des Affekts? Zum Umgang mit Mehrsprachigkeit im Zürcher Dada mit einem Seitenblick auf Ferdinand de Saussure
Jürgen Brokoff: Viersprachig verbrüderte Lieder in entzweiter Zeit. Mehrsprachigkeit und ihre affektive Dimension bei Rose Ausländer und Paul Celan
Marion Acker: Affekte re-präsentieren. Zur Ambivalenz der Mehrsprachigkeit bei Herta Müller
Claudia Hillebrandt: Mehrsprachigkeit hören. Zur Rekonstruktion emotionaler Bedeutungsaspekte in Rike Schefflers Loop-Gedicht Honey, Im Home
Mehrsprachigkeit und Zugehörigkeit
Robert Walter-Jochum: Kanakster vs. Ethnoprotze. Zur Subjektkonstitution durch Hate Speech bei Feridun Zaimoglu
Sandra Vlasta: Was ist ihre Arbeit hier, in Prosa der deutschsprachige Sprach? Mehrsprachige Räume der Begegnung und Empathie in Tomer Gardis Roman broken german
Monika Schmitz-Emans: Schrift-Passionen. Literarische Erzählungen über differente Schriftsysteme und ihre affektive Dimension
Monika L. Behravesh: Wortebeben im Echoraum der Erstsprache. Spracherleben in Marica Bodrois Sterne erben, Sterne färben. Meine Ankunft in Wörtern
Emotion und Erinnerung
Esther Kilchmann: Sprachwechsel und Erinnerungsprozesse. Wechselseitige Beziehungen in der Psychoanalyse und in der Prosa von Marica Bodroi
Annette Bühler-Dietrich: Sprache als Bemühen, das Gleichgewicht zu gewinnen: Katja Petrowskajas Vielleicht Esther
Lena Wetenkamp: Gefühlsalphabete. Das Ausbuchstabieren sprachlicher Affekträume bei Ilma Rakusa
Susanne Zepp: Geschichte in Sprachen. Über Französisch und Deutsch im Schreiben von Georges-Arthur Goldschmidt und Hélène Cixous
Autorinnen und Autoren
Personenregister
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