Beschreibung
Inhalt Gedanken zum Thema Michael Eick Die Herausforderung Wissenserosion in Sachen Biologischer Vielfalt annehmen - Die Landesinitiative 'Integrative Taxonomie Baden-Württemberg' ClausPeter Hutter Themenkreis 1: Artenkennerinnen und Artenkenner gesucht! Wo stehen wir und wohin wollen wir? - Zur Strategie des Bundesweiten Arbeitskreises der Umweltakademien (BANU) in Deutschland Roland Horne Taxonomie gestern - heute - morgen Dr. Christian König und Prof. i. R. Dr. Michael Schmitt Bildungsrelevante Aspekte von Taxonomie und Artenkenntnis Dr. Clemens Becker, Dr. Rainer Drös, apl. Prof. Dr. Eberhard Frey, Prof. Dr. Norbert Lenz, Prof. Dr. Andreas Martens, Prof. Dr. Peter Nick, Tina Roth, Dr. Josef Simmel, Dr. Ulrike Stephan, Dr. Urszula Weclawski Taxonomie was die Praxis erfordert Interview mit Prof. Dr. Lars Krogmann Taxonomie Was die Hochschulbildung leisten muss Interview mit Prof. Dr. Johannes Steidle Welche Standards wollen wir? - Qualitätssicherung bei der Reetablierung von taxonomischem Wissen. Ein Beispiel aus der Botanik Dr. Patrick Kuss Sicherung taxonomischen Wissens - Ein Situationsbericht aus Österreich Dr. Luise Schratt-Ehrendorfer Ausbildung zu 'Artenkennern' ist wichtig! Die 'Initiative Artenkenntnis' des Landesnaturschutzverbandes (LNV) Baden-Württemberg Prof. Dr. Albert Reif und Dr. Gerhard Bronner Themenkreis 2: Berichte der BANU-Akademien aus den Bundesländern Bericht aus Baden-Württemberg (Dr. Karin Blessing) Bericht aus Bayern (Dieter Pasch) Bericht aus Rheinland-Pfalz (Dr. Susanne Müller) Bericht aus Mecklenburg-Vorpommern (Dr. Jan Dieminger) Bericht aus Niedersachsen (Dr. Eick von Ruschkowski) Bericht aus Sachsen (Simona Kahle) Bericht aus Nordrhein-Westfalen (Norbert Blumenroth) Bericht aus Hessen (Albert Langsdorf) Bericht aus Berlin (Dr. Nicola Gaedeke) Themenkreis 3: Ein Ausblick Praktikerinnen und Praktiker fragen, Akademikerinnen und Akademiker antworten Thomas Breunig, Renate Kübler, Dr. Rainer Oppermann Künstliche Intelligenz im Natur-und Artenschutz Prof. Dr.Ing., Dr. h.c., Dr. h.c. Prof. e.h. Michael M. Resch Anhang Die Herausforderung Wissenserosion in Sachen Biologischer Vielfalt annehmen - Die Landesinitiative 'Integrative Taxonomie Baden-Württemberg' ClausPeter Hutter Artenwissen ist der Schlüssel zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Ihr Schutz zählt, neben dem Klimawandel, zu den zentralen Themen unserer Zeit. Heutzutage sind mehr Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht als jemals zuvor. Nicht nur weltweit, sondern auch vor der eigenen Haustüre. Die Herausforderungen, vor denen Gesellschaft und Politik damit stehen, sind gewaltig. Wer hochgradig gefährdete Arten schützen, Biodiversität erhalten und weiterentwickeln will, braucht Artenwissen. Doch daran hapert es mehr und mehr. Nicht nur etliche Pflanzen- und Tierarten - auch Zoologinnen und Zoologen, Botanikerinnen und Botaniker stehen zwischenzeitlich auf der Roten Liste, weil in den letzten 20 Jahren Genetik und Molekularbiologie in Biologie-Studiengängen stärker gefördert wurden, als Zoologie und Botanik. Auch in der Bevölkerung nimmt die Zahl derer, die tatsächlich noch wissen, was in der Natur kreucht und fleucht, ständig ab. Da verwundert es nicht, wenn sich Erzieherinnen und Erzieher, Grundschul- und sogar Biologielehrerinnen und -lehrer nicht mehr in der Natur auskennen und sich Eltern und Kinder zunehmend von ihr entfernen. Mit dramatischen Folgen. Artenwissen ist für den Erhalt der Biodiversität unverzichtbar. Es genügt nicht, Arten zu kennen (Angres & Hutter 2018, Blessing 2010, Blessing 2008). Es müssen wieder die Zusammenhänge zwischen Landbewirtschaftung und Kulturlandschaft, Verbraucherverhalten und Lebensstil, Ernährung und Gesundheit aufgezeigt werden. Dass selbst Biologinnen und Biologen von Planungsbüros, Natur- und Umweltschutzbehörden gezwungen sind, Fortbildungen zu besuchen, weil ihnen zoologisches und botanisches Know-how fehlt, um etwa Bauprojekte rechtssicher zu planen und Schutzgebiete zu entwickeln, ist mehr als alarmierend. Das lässt erahnen, wie eklatant der Mangel an Artenwissen erst in der Bevölkerung ausfällt. Es braucht ein breites Bündnis von Wissenschaft, Fachplanung, Behörden und Naturschutzpraxis, um taxonomisches Wissen wieder breit in verschiedenen Gesellschaftsbereichen zu verankern. Das aktuelle Wissensdefizit darf zu keiner weiteren Verschärfung der Umweltkrise führen. Die Folgen einer Baupolitik, die in den letzten 60 Jahren bundesweit nahezu zu einer Verdoppelung (Umweltbundesamt 2020) der Siedlungs- und Verkehrsflächen geführt hat, und die Konsequenzen eines auf endlichen Ressourcen gebauten Wirtschaftswachstums, fallen uns jetzt schon hart auf die Füße. Die aktuellen Umweltprobleme verlangen ein nachhaltiges Verhalten auf zahlreichen Ebenen, etwa in der kommunalen Baupolitik oder bei persönlichen Konsummustern und Lebensstilen. Die ganzheitliche Vermittlung ökologischer, zoologischer und botanischer Zusammenhänge ist daher wichtig, ja sogar essentiell. Schließlich geht es um nichts Geringeres als unser aller Lebensgrundlage, die wir für uns und nachfolgende Generationen erhalten müssen. Die Entfremdung von der Natur oder - wie amerikanische Forscherinnen und Forscher das Phänomen treffend auf den Punkt bringen - die 'Nature Deficit Disorder' schlägt sich inzwischen auch in unserer Kommunikationskultur nieder. Rund 6.000 Liedtexte und mindestens ebenso viele Romane und Drehbücher, die seit 1900 erschienen sind, haben die Psychologinnen Selin und Pelin Kesebir auf Naturbegriffe untersucht (Kesebir und Kesebir 2017: 260). Das Resultat der im März 2017 erschienen Studie: Seit den Fünfzigerjahren gehen im Sprachgebrauch neben Blumen-, Vogel- und Baumnamen auch zahlreiche Naturbegriffe, wie etwa Weide, Mondschein oder Sonnenuntergang, verloren. Unter Berufung auf neuere Umfragen stellen die Naturcamps Hunsrück fest, dass gerade einmal 'sechs Prozent der Heranwachsenden zwischen Kindergarten und weiterführender Schule wissen, dass der Hirsch nicht der Mann vom Reh ist' (Naturcamps Hunsrück 2015). Selbst bei Lehrerinnen und Lehrern laute die Antwort auf die entsprechende Frage nicht zwangsläufig 'Rehbock' (ebd.). Neue Technologien und Medien verändern das Freizeitverhalten. Der Drang, sich draußen in der Natur auszutoben, ist zusehends den Erholungs- und Unterhaltungsmöglichkeiten gewichen, die sich in den eigenen vier Wänden bieten. Über Fantasietiere der Serie Pokémon wissen Kinder zwischenzeitlich mehr, als über Meise, Kleiber und Co. Sicher spielt bei dieser Entwicklung auch die Tatsache eine Rolle, dass die Mehrheit der Menschen in urbanen Räumen zuhause ist. Von 1950 bis 2015 hat sich der Anteil derjenigen, die in Städten leben, in den Industrieländern auf 78,3 Prozent erhöht (Bundeszentrale für politische Bildung 2017). Ein Trend, der bis 2050 nicht abreißen wird (ebd.). Zwischen Hochhaus, Supermarkt und den grauen Bändern der Straßenzüge lassen sich kaum Pflanzen studieren oder Baumhäuser bauen. Davon abgesehen wartet die Stadt mit vielen Verlockungen auf. Ob Kino, Freibad, Skateranlage, Feste, Konzerte oder Aktionen für Kinder und Jugendliche im Quartier - wer was erleben will, muss nicht weit gehen. Der sonntägliche Familienspaziergang in Wald und Flur steht in scharfer Konkurrenz. Die Folge all dessen: Schwindende Naturkontakte und -erfahrungen. Auf diese Art hat schon die Elterngeneration wichtige Verbindungen zu unseren arteigenen Biotopen verloren und kann sie für den Nachwuchs nicht mehr knüpfen. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Macherinnen und Macher der Naturcamps Hunsrück bei ihrer Bildungs- und Naturerlebnisarbeit stets aufs Neue die Erfahrung machen, dass 'Kinder nicht freiwillig in den Wald gehen wollen, [weil es dort] Tollwut, Fuchsbandwürmer, Zecken und böse Menschen [gibt]' (Naturcamps Hunsrück 2015). Diese Entwicklung ist mehr als besorgniserregend, si...
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