Beschreibung
Zur AktualiHit des Ritualbegriffs Das von der Faszinationskraft des auf den ersten Blick Unverstiindlichen ausgeloste Erstaunen (Schlesier 1996) mag mit erkliiren, warum das Studi urn und die Analyse von Ritualen als zu kulturellen Manifestationen ver dichteter Briiuche, kultischer oder religioser, kollektiver oder individueller Praktiken zum Grundgeschiift der Religionsphilosophie, der Anthropologie und Ethnologie sowie auch der Psychoanalyse geworden sind. Doch war urn ist nach all den von den verschiedenen Wissenschaften vorgelegten Darstellungen, Analysen, Erkliirungen, Modellen und Theorien das Ritual noch immer von Interesse? Hat unser Wissen von Ritualen nur Lucken, die durch entsprechende Forschungen geschlossen werden konnten, oder gibt es im Ritual etwas, das seiner rationalen Autklarung und eindeutigen be grifflichen Fassung einen bisher unuberwundenen Widerstand entgegen setzt? Neben der Schwierigkeit einer eindeutigen Gegenstandsbestimmung steht auBerdem die Frage nach der Reichweite und Relevanz des Ritualbe griffs, d. h. welche Bedeutung also ein Diskurs uber das Ritual heute, in der fortgeschrittenen, der 'zweiten' oder der reflexiv gewordenen Moderne (Beck 1986; Beck u. a. 1996) noch oder wieder haben kann. Kann man an gesichts der forcierten Modernisierung komplexer pluralistischer Gesell schaften uberhaupt noch den Begriff des Rituals zur Beschreibung und Erklarung von Interaktions-und Handlungszusammenhiingen heranziehen? Drittens schlieBlich erhebt sich die Frage nach seiner theoretischen Funkti on.
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Inhalt
n diesem Buch wird der Ritualbegriff aus der Perspektiveverschiedener Disziplinen und im Kontext gegenwärtiger erziehungs-, sozial-und kulturwissenschaftlicher Problematisierungen diskutiert.Rituale und Ritualisierungen wurden bisher entweder alsvormoderne kulturelle Erscheinungsformen der Unfreiheit kritisiert, oder siegalten als unverzichtbare Bedingungen sozialer Synthesis. Als solche erfahrensie in jüngster Zeit in Zusammenhang mit der Diskussion um Werteverfall undzunehmende Desintegration der Gesellschaft eine Aufwertung. So gibt esTendenzen, das Ritual zur Regenerierung individueller Werthaltungen inpädagogische Dienste zu nehmen. Eine solche Pädagogisierung des Rituals istallerdings nur möglich, wenn man die Differenzen zwischen Ritual,Ritualisierung und Regelsetzung einebnet und die Beschäftigung mit diesemKonzept in anderen Disziplinen weitgehend ignoriert.Gegen eine derart verengte Problemsicht wird in diesem Buch derBlick auf die Vieldeutigkeit von Ritualen geöffnet. Aus dem Inhalt: Michael Wimmer/Alfred Schäfer, Einleitung: Zur Aktualität desRitualbegriffsBernhard Streck, Ritual und FremdverstehenIvo Strecker, Versuch einer rhetorischen RitualtheorieHermann Pfütze, ¶Ohne Rand und Band¶. Zurnachlassenden Bestätigungskraft von RitualenKonrad Thomas, Das vergessen-machende Ritual. Zu René Girards Theorem der méconnaissanceEdith Seifert, Ritual totalHans Bosse, Der Forscher wird eingesperrt. KreativeWandlungsprozesse eines ZwangsritualsAlfred Schäfer, Situelle SubjektivierungenHermann Timm, Alle Jahre wieder. Die ritualisierte LebensrundungThomas Macho, Robinsons Tag. Zur Faszinationsgeschichte vonFeiertagenWolfgang Braungart, Zur Ritualität der ästhetischen Moderne.Eine kleine Polemik und einige Beobachtungen zur Kunst der Mittellage beiEduard Mörike