Beschreibung
Dass Wilhelm von Humboldt neben Goethe und Schiller zum innersten Zirkel der Weimarer Klassik gehörte - das ist seit mehr als hundert Jahren ein Topos der Literaturgeschichtsschreibung: Humboldts Universitätsreform atme den gleichen Geist wie das Bildungsideal in Goethes "Wilhelm Meister". Auch die Diskussion der letzten Jahrzehnte um den Klassikbegriff, auch die Veränderung des germanistischen Humboldt-Bildes haben diesem Topos nichts anhaben können. Im Kontext der mentalitäts- und kulturgeschichtlichen Ergebnisse der neueren Bürgertumsforschung ergibt sich ein anderes Bild: Die Unterschiede zwischen Wilhelm von Humboldt einerseits und Goethe und Schiller andererseits sind durchaus signifikant. Sie verweisen auf zwei grundlegend unterschiedliche Konzepte bürgerlicher Kultur, die ihre Folgen bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein zeitigen. Der vorliegende Band unternimmt - unter Berücksichtigung literatur-, sozial- und mentalitätsgeschichtlicher Aspekte - eine Neuverortung Wilhelm von Humboldts und der Weimarer Klassik in der Geschichte bürgerlicher Kultur in Deutschland um 1800.