Beschreibung
Das jüngste Kind ist gerade 18, die ältesten Kinder werden selbst zum ersten Mal Eltern. Ein guter Zeitpunkt, die Erziehungsversuche Revue passieren zu lassen. Was lief gut? Was hat nicht geklappt? Was war typisch für uns? An dieser kritischen Rückschau beteiligen sich alle: Die Eltern und die vier Kinder. Dabei geben sie wertvolle Tipps. Charakteristisch für das Leben der Familie Kessler ist der Dreiklang: Suchen nach Wahrheit - handeln in Verantwortung - leben mit Humor.
Autorenportrait
Martina und Volker Kessler haben vier inzwischen erwachsene Kinder und leben in Gummersbach. Sie ist psychologische Beraterin, Theologin, Lehrbeauftragte an verschiedenen theologischen Hochschulen und Moderatorin der Sendung "Bibel TV Bestesda". Er ist Mathematiker, Theologe und Professor für Christian Leadership an der University of South Africa. Gemeinsam leiten sie die Akademie für christliche Führungskräfte.
Leseprobe
1 Suchen nach Wahrheit Ein wesentlicher Aspekt in unserer Familie war und ist bis heute die kontinuierliche Suche nach Wahrheit. Bei vielen Themen haben wir versucht, eine Weitsicht mit Tiefenbohrung zu erhalten. Behauptungen oder Tatsachen wurden nicht einfach so hingenommen, sondern hinterfragt, diskutiert, abgewogen und erst dann angenommen, verworfen und noch mal erneut bedacht. Ich, Martina, erinnere mich an eine Situation, die symptomatisch ist: Unsere beiden ältesten Kinder gingen in eine bayerische Dorfgrundschule. Am Tag vor den Osterferien hatten sie in einem Schulgottesdienst vom Passionsweg Jesu mit den verschiedenen Stationen gehört. Sie hatten gehört, an welcher Stelle Jesus auf dem Weg nach Golgatha gestolpert sei, wer ihm etwas zu Trinken gegeben hätte usw. Der Viertklässler und die Erstklässlerin kamen dann zu verschiedenen Zeiten aus der Schule, aber beide erklärten mir schon an der Haustür, dass sie heute etwas über Jesus gehört hätten, was sie zuvor so noch nie gehört hatten. "Das muss ich jetzt erst mal in der Bibel nachlesen", erklärte Emanuel und marschierte gleich los, um nachzulesen. Da dachte ich bei mir: "Ja, so wollte ich das! Ein Erziehungsziel scheint erreicht zu sein." Die folgenden Einzelberichte geben Einblick in spezielle Themenbereiche. Am Esstisch meiner Eltern Emanuel Kessler Wahrnehmung als Kind "Wie lief eure religiöse Erziehung?" Bei dieser Frage gerate ich jedes Mal ins Grübeln. In meinem Elternhaus wurde nicht zwischen religiöser und sonstiger Erziehung unterschieden - zumindest nicht so, dass es mir auffiel. Da lag die Holzarche neben der Playmobil-Ritterburg, wir hörten "Benjamin Blümchen" und "Freddy, der Esel"-Kassetten.2 Bei den Kinderbüchern waren biblische Geschichten genauso dabei wie andere Geschichten. Auch bei den Romanen, die ich im Laufe meines Lebens bekam, war die Auswahl variabel. Es gab nur eine Ausnahme - Geschichten, in denen magische Wesen die Guten waren, waren nicht erlaubt. Unsere Eltern wollten nicht, dass wir Geschichten lesen/hören/sehen, in denen wir uns mit guten Zauberern und Hexen identifizieren könnten. Dies hängt auch damit zusammen, dass in der Bibel magische Wesen generell Feinde Gottes waren. Allerdings war diese Regel mehr eine Richtlinie: Als ich in der Grundschule mit meiner Klasse zu einer Theateraufführung "Die kleine Hexe" wollte, durfte ich selbstverständlich mit. Und mit 16 bekam ich zu Weihnachten den ersten Band von "Der Herr der Ringe". Das habe ich aber nicht als Inkonsequenz erlebt, sondern eben als begründete Abweichungen. Zum täglichen Erleben gehörte auch das Gebet - das Gebet bei den Mahlzeiten und das Gebet abends beim Schlafengehen. Beides lebten uns unsere Eltern vor: Das Gebet war ihnen wichtig. Ich habe es nicht als ein Ritual erlebt, sondern als etwas, das notwendig und wichtig ist. "Die größte Macht der Eltern besteht darin, Vorbild zu sein. Natürlich ist es wichtig, was wir ihnen sagen, welche Grenzen wir setzen, mit welchen Konsequenzen wir sie konfrontieren und welchen Einflüssen wir sie aussetzen. Aber noch viel wichtiger ist, was wir ihnen vorleben, wenn sie uns beobachten."3 Und so habe ich das Gebet, das Gespräch mit Gott, bei meinen Eltern beobachten können. Meine Eltern (und Großeltern) sprachen freie Gebete - nur mein Großvater sprach nach dem Mittagessen jedes Mal dasselbe Gebet. Ich kann also nicht beurteilen, ob dies dieselbe Wirkung gehabt hätte, hätten meine Eltern "nur" vorformulierte Gebete gesprochen. Hätte das dann auf mich mehr wie ein Ritual gewirkt? Oder lag es an der Art, wie meine Eltern das Gebet lebten? Als ich auszog und allein lebte, habe ich das Gebet zu Tisch vernachlässigt. Doch jetzt, wo ich verheiratet bin und mit meiner kleinen Familie vor dem Essen bete, ist es auch mir ein ehrliches Bedürfnis, Gott zu danken - für meine Frau, meine Tochter, die Bewahrung und das gute Essen. Zwei Rituale gab es, die sich im Wechsel wiederholten. Das eine fand in der Adventszeit, das