Beschreibung
Nashville, 1871: Die junge Musikerin Rebekka kehrt nach ihrer Ausbildung in Wien in ihre alte Heimat zurück. Doch sie weiß, dass ihr ihr früheres Zuhause in Nashville keine Zuflucht mehr bietet. Dort herrscht mittlerweile ihr Stiefvater. Und so macht Rebekka sich auf die Suche nach einer Anstellung. Ihr größter Herzenswunsch ist es, im Sinfonieorchester ihrer Heimatstadt Violine spielen zu dürfen. Aber Nathaniel Whitcomb, der Dirigent, lehnt Rebekka ab. In seinem Orchester ist kein Platz für Frauen. Nach und nach jedoch erkennt er, dass Rebekka nicht nur äußerst reizend ist, sondern auch eine außergewöhnliche Gabe besitzt.
Autorenportrait
Tamera Alexander ist für ihre historischen Romane schon mehrfach mit dem Christy Award ausgezeichnet worden, dem bedeutendsten christlichen Buchpreis in den USA. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei erwachsenen Kindern in Nashville.
Leseprobe
Kapitel 1 Nashville, Tennessee 12. Januar 1871 Rebekka Carrington stand zitternd auf der Straßenseite, die ihrem Elternhaus gegenüberlag. Die Reisetasche lastete schwer in ihrer Hand und ihr Mantel war mit Schneeflocken bedeckt. Sie zählte die Schritte, die nötig wären, um zur Haustür zu gelangen. Wie konnte ein so kurzer Abstand so unüberwindlich erscheinen, viel weiter als der Ozean, den sie gerade überquert hatte? Sie wünschte, sie bräuchte nur zu blinzeln und wäre wieder in Wien. Nach zehn Jahren in der österreichischen Hauptstadt fühlte sie sich dort mehr zu Hause als in der Stadt, in der sie geboren worden war und die erste Hälfte ihres Lebens verbracht hatte. Aber der Brief, der ihr vor fast vier Wochen, nur wenige Tage vor Weihnachten, zugestellt worden war, hatte alles verändert. In diesem Moment ging die Haustür auf. Rebekka drückte sich in den Schatten eines Baumes, dessen duftende Nadeln in der Kälte hart und spitz geworden waren. Sie drehte den Kopf, um durch die vereisten Zweige spähen zu können. Ihr Atem bildete eine Wolke vor ihrem Mund und hing gespenstisch in der Luft. Ihr Magen verkrampfte sich, aber das lag nicht nur an ihrem Hunger. Es war er. Wie oft hatte sie diesen Mann vor ihrem geistigen Auge gesehen, seit sie Nashville verlassen hatte? Aber als sie ihn jetzt, zehn Jahre später, mit den Augen einer erwachsenen Frau sah, wirkte er ganz anders als damals, da sie als dreizehnjähriges Mädchen zu ihm aufgeblickt hatte. Er war zwar dicker geworden, aber er war immer noch groß, über einen Meter achtzig, und strahlte wie früher etwas Beherrschendes aus. Aber er war bei Weitem nicht mehr die übergroße Gestalt, als die er ihr im Gedächtnis geblieben war. Jahrelang hatten sie Erinnerungen an die Begegnungen mit ihm - und besonders an jene eine Nacht - geplagt. Die Zeit und der räumliche Abstand hatten geholfen, das zu überwinden. Sie war nicht mehr das junge, naive Mädchen von damals und sie hatte keine Angst mehr vor ihm. Warum hämmerte dann ihr Herz so wild? Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und nahm ihren ganzen Mut zusammen. Ihr Stiefvater stieg in eine Kutsche, die deutlich eleganter war als die Kutsche, die er und ihre Mutter besessen hatten, als Rebekka das letzte Mal hier gewesen war. Vielleicht hatte er sich die Kutsche mit dem Geld gekauft, das er vor Kurzem "geerbt" hatte. Diese Möglichkeit verstärkte ihre Abneigung ihm gegenüber noch mehr und sie fragte sich zum wiederholten Mal, woran ihre Großmutter so plötzlich gestorben war. Großmutter Carrington hatte mit keinem Wort erwähnt, dass sie sich unwohl gefühlt hätte, doch dann war die schockierende Nachricht von ihrem "plötzlichen und tragischen Tod" gekommen. Das ergab einfach keinen Sinn und Rebekkas Schmerz und ihre Trauer waren unbeschreiblich groß. Rebekka betrachtete die Kutsche und die Silhouette des Mannes, der darin saß. Barton Ledbetter war kein ehrbarer Mann, das wusste sie nur zu gut. Aber er war doch sicher nicht so unmoralisch, dass er es gewagt hatte. "Vor wem verstecken Sie sich?" Rebekka zuckte zusammen und fuhr herum. Die Stimme hatte sie unsanft aus ihren Gedanken gerissen. Ein kleiner Junge spähte unter dem Schild einer zerrissenen roten Mütze zu ihr hinauf und schaute sie angriffslustig an. Sie runzelte die Stirn. "Ich verstecke mich vor niemandem." Er legte vielsagend den Kopf schief und gab ihr damit deutlich zu verstehen, dass er das anders sah. "Ich habe nur. über meine Pläne nachgedacht." Das traf die Wahrheit nicht ganz, aber ihre Gewissensbisse verstummten schnell. Was sie tat oder nicht tat, das ging diesen Jungen wirklich nichts an. Ein halb leerer Beutel mit Zeitungen hing von seiner schmalen Schulter. Als sehe er seine Chance, zog er eine heraus, rollte sie blitzschnell zusammen und hielt sie ihr hin, als präsentiere er ihr die Kronjuwelen der Habsburger. "Fünf Cent für eine Zeitung, Miss. Sagen wir zehn." Er verzog schelmisch einen Mundwinkel. "Dafür verrate ich niemandem, w