br> Eine völlig neue - und garantiert unverständliche - Sprache entsteht auch im Zuge einer weiteren deutschen Rechtschreibreform, bei der - wie neulich von deutschen Linguisten allen Ernstes vorgeschlagen - unter anderem alle starken Verben und das Hilfszeitwort sein abgeschafft werden. (Die Rechtschreibreform) Die abschließende Erzählung Abendrot stellt innovative Bestattungsprodukte wie Flug-, Donau-, Berg- oder Baumbestattung vor, nicht zu vergessen Himmelsspirale, Internet- und Eventbestattung. Fleischers Erzählduktus ist auch diesmal satirisch, zuweilen ausgesprochen witzig, jedoch einmal mehr von jener Art, bei der einem irgendwann das Lachen vergeht.">
Beschreibung
In den Erzählungen dieses Buches lässt der Autor Figuren auftreten, die mit untauglichen Mitteln um Wahrheiten ringen, deren Opfer sie werden. Gleich in der Titelgeschichte führt ein chemischer Terroranschlag auf Österreich zum Chaos, da die Bevölkerung plötzlich weder der Lüge, noch lügenhaften Verhaltens mächtig ist: So löst der Bundespräsident Regierung, Parlament und Bundesheer wegen Verlogenheit, Unfähigkeit und Lächerlichkeit auf, während er von einer Radiojournalistin als Staatsoberlangweiler bezeichnet wird. Ein Arzt schickt seine Patienten nach Hause, weil ihm diese ganzen Schießbudenfiguren mit ihren eingebildeten Krankheiten zuwider sind. Es wird geplündert, vergewaltigt und gemordet. In der Hauptsache waren jedoch Mord, Totschlag, Raub und Vergewaltigung nicht (wie so oft) im Namen von Patriotismus, Religion oder politischer Ideologie begangen worden, sondern aus persönlichen Motiven wie Gier, Ehrgeiz, Neid, Frustration, Sadismus und Geilheit Zum Glück war nur Österreich betroffen, quasi unter dem Motto, dieses Land sei eine kleine, verlogene Welt, in der die große ihre Probe hält. Nach einem entschlossenen Eingreifen der Staatengemeinschaft kommt alles wieder ins Lot, die Leute lügen wie ehedem, und das ist auch gut so. (Nichts als die Wahrheit). In "Die Bruderschaft vom Berge" wird eine Religion samt Gott erfunden und eine Religionsgemeinschaft für Auserwählte gegründet, die künftige Generationen in mythisch-kultischer Form vor den zahllosen unterirdischen Atommülldeponien warnen soll. Zu diesem Behuf wird auch eine neue Sprache - das Fratmons entwickelt und vorgestellt. So viele unbewusst entstandene Mythen haben überlebt, um wie viel lebensfähiger müssen erst sorgfältigst konstruierte Mythen sein?>br> Eine völlig neue - und garantiert unverständliche - Sprache entsteht auch im Zuge einer weiteren deutschen Rechtschreibreform, bei der - wie neulich von deutschen Linguisten allen Ernstes vorgeschlagen - unter anderem alle starken Verben und das Hilfszeitwort sein abgeschafft werden. (Die Rechtschreibreform) Die abschließende Erzählung Abendrot stellt innovative Bestattungsprodukte wie Flug-, Donau-, Berg- oder Baumbestattung vor, nicht zu vergessen Himmelsspirale, Internet- und Eventbestattung. Fleischers Erzählduktus ist auch diesmal satirisch, zuweilen ausgesprochen witzig, jedoch einmal mehr von jener Art, bei der einem irgendwann das Lachen vergeht.
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Leseprobe
DAS REGULATIONSPARADIES Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass England das Mutterland der Alltagsregulation ist. Alles und jedes wird reguliert und durch entsprechende Vorschriften definiert, deren Sinn die Mehrheit der Untertanen Ihrer Majestät zwar nicht kennt, die er aber - ohne nachzudenken - befolgt, weil es üblich ist. Üblich stammt im Deutschen aus der gleichen Wortwurzel wie übel. Der Sprecher des Deutschen tut daher wohl oder übel das Übliche. Die englischen Entsprechungen customary und habitually gestatten keine vergleichbare Ableitung, weshalb es für den Engländer viel leichter ist, das Übliche durchaus ungezwungen als das Gute anzusehen. Denken wir etwa an die segensreichen Folgewirkungen der - übrigens aus der sehr kurzlebigen republikanisch-puritanischen Ära stammenden - Sperrstundenregulation der englischen Pubs: Es ist ein unschätzbarer Vorteil der Insel gegenüber dem Kontinent, dass um zwanzig vor elf die Glocke ertönt, die last orders eingefordert werden. Sofort stürzen alle Gäste zur Bar, ergattern noch schnell zwei Pinten Bier, stürzen diese noch schneller hinunter, stürmen sodann ihre Automobile und fahren damit heimwärts. Alle gleichzeitig, wohlgemerkt! Dies erleichtert der Polizei in hohem Maße die nächtliche Verkehrsüberwachung. Eine kurze, heftige rush-home hour erfordert bedeutend weniger Aufwand als ein über die ganze Nacht ausgedünntes Verkehrsaufkommen unter Alkoholeinfluss. Planquadrat, Alkomatapplikation und Röhrlblasen erbringen weit bessere Trefferquoten als in Europa. Auch Rettungsdienste, Krankenhäuser und Ärzte profitieren: Nach einer relativ kurzen Phase intensiver, gezielter und effizienter Akkordarbeit kehrt ab etwa ein Uhr früh wieder Ruhe ein, was man zum Karten- und Würfelspiel, einer Runde Scrabble oder einem Nickerchen nützt. Mit den Kneipensperrstunden in engem und wertvollem Zusammenhang steht das Jugendschutzgesetz, welches Jugendliche am Alkoholgenuss in der Öffentlichkeit hindert. In fast allen Kneipen müssen junge oder jung wirkende Menschen ihre identity card bei sich haben und vorweisen. Nur, wenn aus derselben hervorgeht, dass man zumindest achtzehn Jahre alt ist, darf man ein Bier trinken. Viele Bars und Pubs haben das Alkoholschutzalter auf zwanzig, einige sogar auf dreiundzwanzig Jahre angehoben. Wer nicht wenigstens wie Vierzig aussieht, muss sich ausweisen, selbst, wenn er bereits drei akademische Grade erworben oder den Nobelpreis für Chemie erhalten hat. Englische Jugendliche betrinken sich zu Hause bei ihren mit ihnen überforderten Eltern, im dormitory ihrer private school, in den Parks oder Fußballstadien. Es gibt Restaurants, in denen aus nicht näher bekannten Gründen - regulations nennt sie der Besitzer üblicherweise - kein Alkohol ausgeschenkt werden darf. Es ist dem Gast allerdings freigestellt, die eine oder andere Flasche Wein ins Lokal mitzunehmen; gern werden ihm Wirt oder Wirtin einen Korkenzieher und ein Weinglas zur Verfügung stellen. In Anbetracht der britischen Kochkunst ist es angenehmerweise ziemlich gleichgültig, ob man zum Lamm in Pfefferminzsauce, den Schweinswürsten mit Erdäpfelmatsch, der Pizza mit Pommes Frites oder den Ravioli auf versengten Toastscheiben Blauburgunder, Tee, Coca Cola oder Hustensaft trinkt. Es sind aber noch zahllose andere regulations in Kraft, die Ordnung in den englischen Alltag bringen: Zum Beispiel das queuing-up system auf Postämtern, Banken, Reise- und Versicherungsbüros. Die hinter Panzerglas verschanzten und mit Mikrophonen ausgestatteten Bediensteten haben ein wachsames Auge für Verstöße gegen Schlangenstandregeln und verweigern jedem, der sich nicht angestellt hat - weil er zum Beispiel der einzige Kunde ist - unweigerlich die erheischte Dienstleistung. Schlange zu stehen hat man auch bei Bushaltestellen, Fahrkartenschaltern und Theatertageskassen, wobei jede dieser Institutionen ihr eigenes queuing-up system vorschreibt. So muss man sich etwa hier mit dem Gesicht, dort mit dem Rücken in Fahrtrichtung anstellen oder bei den Kartenschaltern bestimmter Kinos ab der drittletzten (also drittbesten) Warteposition in gebückter Stellung verharren, damit die Kassiererin rechtzeitig das Gesicht sehen kann. Wer mit dem jeweiligen queuing-up system nicht vertraut ist, sollte einfach den Anderen in der Schlange alles nachmachen. Das Schlange Stehen wird in England schon den Kleinkindern beigebracht. So zum Beispiel stehen die Kleinen - Kübelchen und Schaufelchen in Händchen - vor den Sandkisten der öffentlichen Parkanlagen Schlange, zumal nur fünf Kinder pro Quadratyard gleichzeitig in der Kiste beispielsweise Schlammburgen bauen dürfen, damit das Höchstgewicht von fünfzig Unzen bewegten Sandes pro einem Dutzend Minuten nicht überschritten wird. Dieses System ist Eltern wie Kindern bestens vertraut und den Kleinen meist bereits im dritten Lebensjahr in Fleisch und Blut übergegangen. Die allgegenwärtige Regulation ist ein wesentlicher Bestandteil englischer Identität. Ebendiese unverwechselbare Identität aber ist - teils durch Zuwanderung, teils durch importiertes Einreißen fremdländischer Sitten - stark bedroht. Die britische Regierung hat darum eine pro-regulation campaign gestartet, bei welcher Bürgernähe als allerhöchste Priorität gilt. Die Bürger des Vereinigten Königreichs sind aufgerufen, neue regulations zu entwickeln und bei einem Wettbewerb einzureichen, der wertvolle Preise für die besten Ideen vorsieht. Auf diese Weise sind im Laufe des letzten Jahres etliche völlig neuartige regulations, systems, system regulations und regulation systems in Gebrauch geraten, von denen aus Platzgründen an dieser Stelle nur einige wenige Erwähnung finden können: Einem preisgekrönten Einfall von Sir Archibald Lord Peacounter zufolge gibt es ein neues Alkoholkonsumgesetz, das auch senior citizens vor der gefährlichen Droge schützen soll. Das Ausschenken alkoholischer Getränke an männliche Personen ab dem fünfundsechzigsten und weiblichen ab dem sechzigsten Lebensjahr ist in öffentlichen Lokalen nicht mehr gestattet. Ältere oder alt aussehende Personen haben dem Barmann, Kellner oder sonstigen Servierpersonalteilen einen Ausweis zu zeigen, auf welchem ihr Geburtsdatum vermerkt ist. Bis zum weiblichen siebzigsten beziehungsweise bis zum männlichen fünfundsiebzigsten Lebensjahr ist der Besuch eines Alkohol ausschenkenden Lokals zwar - in Begleitung einer jüngeren Aufsichtsperson - gestattet, jedoch ist bloß der Konsum von Soft Drinks erlaubt. Bei einem noch höheren Lebensalter ist der Aufenthalt in einem derartigen Lokal illegal und stellt eine Straftat dar, die Geldbußen bis zu fünfhundert Pfund und im Falle der Nicht-Einbringung bis zu zehn Wochen Arrest nach sich zieht. Wenn ein jüngerer Anverwandter für den illegal anwesenden oder illegal Alkohol trinkenden Senior ein entsprechendes Getränk besorgt hat - indem er etwa das eigene an ihn weitergab - ist er straffällig und muss mit einer Geldbuße von bis zu tausend Pfund oder bis zu einem halben Jahr Arrest rechnen. Man hofft, mit dieser regulation dem weitverbreiteten Altersalkoholismus - neuerdings auch volkstümlich als Grannyboozing bezeichnet - beizukommen. Millicent Marooney, einer pensionierten Lehrerin aus York ist die neue IQ-regulation für Führerscheinbesitzer zu verdanken. Ab sofort muss der Intelligenzquotient des Führerscheinbesitzers mit der PS-Zahl des von ihm gelenkten Fahrzeugs korrelieren. Unter einem IQ von 90 ist der Erwerb einer driving licence respektive das Lenken eines Kraftfahrzeugs generell verboten, mit einem IQ zwischen 91 und 109 darf man Kraftfahrzeuge mit höchstens 40 PS, zwischen 110 und 130 solche mit maximal 70 PS und ab einem IQ von 131 solche bis 100 PS lenken. Für Fahrzeuge mit mehr als 100 Pferdestärken ist ein IQ von mindestens 160 notwendig. Leute von dermaßen hoher Intelligenz sind allerdings an starken Autos traditionell desinteressiert. Schon ist die Anzahl der Geschwindigkeitsüberschreitungsdelikte deutlich, jener der Ve...