Beschreibung
"Der kürzeste Weg zu sich selbst führt um die Welt herum" -- unter diesem Motto brach der junge baltische Graf Hermann Keyserling 1911 zu einer Weltreise auf, von der er über ein Jahr später als veränderter Mensch zurückkehrte. Durch Krankheit und die Wirren des ersten Weltkriegs gehindert, konnte sein Klassiker "Das Reisetagebuch eines Philosophen" erst 1919 erscheinen, machte ihn aber schlagartig berühmt. Ein Jahr darauf eröffnete Keyserling dann seine "Schule der Weisheit" in Darmstadt und berief zahlreiche prominente Zeitgenossen dorthin, darunter im Jahr 1921 den international verehrten indischen Dichter und Literaturnobelpreisträger Rabindranath Tagore -- ein Ereignis, das uns heute als "Darmstädter Tagore-Woche" überliefert ist. Es folgte eine Zeit, in der Keyserling zu einem der schillerndsten Denker der Weimarer Republik avancieren sollte, bis er von den Nationalsozialisten mundtot gemacht wurde und weitgehend in Vergessenheit geriet. 100 Jahre nach diesen Ereignissen widmen sich in diesem Buch die Darmstädter Keyserling-Expertin Ute Gahlings, der in Indien lebende Tagore-Forscher Martin Kämpchen, die vielgereiste Ethno-Sinologin Gudula Linck sowie die Germanistik-Professoren Robert E. Norton und Yuho Hisayama aus den USA bzw. Japan zunächst einer kritischen Betrachtung des "Reisephilosophen" -- und zwar aus den Perspektiven der von ihm bereisten Völker, deren Kultur er in seiner oft so spitzzüngigen Art philosophisch analysierte. Im zweiten Teil des Jubiläumsbands begeben sich dann Ute Gahlings und Martin Kämpchen in einen Dialog über die ambivalente Beziehung zwischen dem großen Dichter Tagore und dem ambitionierten Denker Keyserling. Sie richten dabei ihren Fokus auf deren reformatorische Ansätze zu einer am ganzen Menschen orientierten Bildung. So bietet das Buch für philosophisch interessierte Laien nicht nur einen Einblick in einen oft vernachlässigten Teil der Philosophiegeschichte, sondern schlägt auch einen Bogen zu Fragen aktueller Lebensorientierung durch Philosophie. Auch Fachleute werden in den zehn auf wissenschaftlichem Niveau ausgearbeiteten Artikeln neue und interessante Perspektiven auf den Philosophen Keyserling finden. Und weil zu lebensnaher Philosophie nicht zuletzt auch Humor gehört, ist das Buch gespickt mit Keyserlingschen "Gedankenblüten", die in ihrer Vielfältigkeit im Konnex zwischen staubtrocken-ironisch und tief-philosophisch eine Bereicherung für jede Spruchsammlung sein werden.
Autorenportrait
Aufbauend auf ihrer Dissertation im Jahr 1992 hat sich Ute Gahlings durch ihre maßgebliche Rolle bei der wissenschaftlichen Erschließung des Hermann-Keyserling-Nachlasses in Darmstadt international einen Namen als Keyserling-Expertin gemacht. Bereits 1996 verfasste sie zum 50. Todestag Keyserlings eine Biographie des Philosophen. Sie schrieb zahlreiche Artikel zu seinem Leben und Werk, organisierte internationale Tagungen und richtete zwei Keyserling-Ausstellungen in Darmstadt und im estnischen Tartu aus. Als Philosophin widmet sie sich vor allem Themen der Kultur- und Lebensphilosophie, der Geschlechtertheorie und der Phänomenologie des Leibes -- so auch in ihrem Hauptwerk "Phänomenologie der weiblichen Leiberfahrungen" [2. Auflage im Verlag Karl Alber, Freiburg/München 2016]. Sie ist Mitherausgeberin zahlreicher Sammelbände und nimmt auch als Autorin immer wieder kritisch Stellung zu den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer leistungsorientierten Informationsgesellschaft. Ihr besonderes Engagement gilt -- ganz im Sinne Keyserlings -- einer lebensnahen Philosophie in Perspektiven der Praxis: So war sie 2005 Gründungsmitglied des "Instituts für Praxis der Philosophie" (IPPh) in Darmstadt und eröffnete 2015 ihre "Philosophische Praxis Solidarität" in Frankfurt am Main. Seit 2017 ist sie Vorstandsmitglied und seit 2019 Vorsitzende der "Internationalen Gesellschaft für Philosophische Praxis" (IGPP). Ute Gahlings ist Privatdozentin für Philosophie an der TU Darmstadt und lehrt an verschiedenen Universitäten und Hochschulen im In- und Ausland.
Sonstiges
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