0

Janko, der Junge aus Mexiko

eBook

NDV
Erschienen am 28.05.2022, 1. Auflage 2022
Auch erhältlich als:
2,49 €
(inkl. MwSt.)

Download

E-Book Download
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783961272860
Sprache: Deutsch
Umfang: 0 S., 0.88 MB
E-Book
Format: EPUB
DRM: Nicht vorhanden

Beschreibung

Eine deutsche Kleinstadt am Anfang der dreißger Jahre des letzten Jahrhunderts. Ein Neuer kommt in die Schulklasse:Janko. Der der kommt aus Mexiko, ist Waise und von einer Verwandtschaft, die ihn nicht mag, ausgerissen und abenteuerlich über New York in die deutsche Kleinstadt gelangt. Hier ist er fremd und wird von seinen neuen Mitschülern als der »Indianer« verspottet. Allmählich entdecken diese aber, dass er viel zu bieten hat. So wird er zu ihrem Freund. Dann aber braut sich Unheil zusammen. In Mexiko und den USA streitet man sich aus politischen Gründen um den staatenlosen Jungen. Und in Deutschland? Da soll er auf einmal nicht mehr bleiben dürfen. Janko erträgt seine Lage nicht - und verschwindet, um selbst zu entscheiden, wo sein Zuhause ist. Ruth Rewald war eine deutsch-jüdische Schriftstellerin, die vor 1933 sehr erfolgreich war und R noch 1923 begeistert mit Erich Kästner verglichen wurde. Aber 1933 war das überholt. Die Nazis waren an der Macht, und die Autorin musste flüchteten..In Frankreich erschien 1934 ihr Roman Janko, der Junge aus Mexiko. Ruth Rewald und ihre siebenjährige Tochter wurden 1942 im Konzentrationslager Auschwitz von den Nazis ermordet.

Leseprobe

Nach den Ferien kam ein Neuer in die Klasse, ein großer, kräftiger Junge mit wettergebräuntem Gesicht. Aus schwarzen offenen Augen beobachtete er neugierig die Jungens. Er kannte niemanden von ihnen, und niemand kümmerte sich um den Jungen mit den wilden schwarzen Haaren, der hinten im Klassenzimmer stand und wartete. Er trug ein weißes Hemd, eine schwarze Samthose und seltsame, hellgelbe Sandalen. Strümpfe schienen überflüssiger Luxus.Als der Lehrer Brakenburg eintrat, blieb der Neue hinten an der Wand stehen. Die Jungen vor ihm setzten sich.»Du, da hinten«, fragte Brakenburg, »warum setzt du dich nicht?«Die einundzwanzig Jungen der vierten Klasse drehten sich erstaunt um. Da stand dieser unbekannte Junge, lehnte sich lässig an die Wand und antwortete auf die Frage, ohne seine Haltung zu verändern:»Ich bin heute zum ersten Mal hier in der Schule.«Seine Worte klangen sicher und laut durch das Zimmer. Er hatte eine tiefe Stimme, aber die Aussprache der Worte war fremdländisch. Sie klang hart, das>R< rollte er mit der Zunge, und das>S< zischte er wie im Englischen. Die Sprache schien ihm noch Schwierigkeiten zu machen. Die Blicke der Jungen auf den Bänken blieben ununterbrochen auf ihn gerichtet. Dieser Neue mit seiner südländischen Hautfarbe und seiner gebrochenen Aussprache des Deutschen stand mit einer seltsamen Ruhe da. Es schien ihm nichts auszumachen, in eine neue Umgebung zu kommen und von einundzwanzig Augenpaaren angestarrt zu werden. Die Sicherheit, mit der er die Worte setzte und dabei ruhig stehen blieb, etwas breitbeinig und immer noch angelehnt, ließ ihn noch fremder und abenteuerlicher erscheinen.»So, du bist also nagelneu bei uns«, sagte Brakenburg und griff nach dem Klassenbuch, »setz dich hinten auf die leere Bank. Wir müssen erst mal Bekanntschaft schließen. Wie heißt du?«Brakenburg hatte das Klassenbuch geöffnet, um über den Neuen die notwendigen Eintragungen zu machen.»Ich heiße Janko Dubirof.«Brakenburg trug den Namen ein und fragte weiter:»Wie heißt dein Vater?«»Dubirof.«»Vorname?«»Den Vornamen weiß ich nicht.«»Aber das ist doch unmöglich, du kennst doch den Vornamen deines Vaters.«»Ich habe meinen Vater nie gesehen.«Brakenburg blickte längere Zeit auf den Neuen. Dann fragte er:»Und deine Mutter?«»Sie ist gestorben, als ich drei Jahre alt war.«»Welche Staatsangehörigkeit hast du denn?«»Keine.«»Keine? Aber das ist ja heller Unsinn.« Brakenburg wurde ungeduldig.»Aus welchem Lande kommst du denn?«»Aus Mexiko.«»Dann bist du doch Mexikaner.«»Nein, das bin ich nicht, ich bin in den Vereinigten Staaten geboren. Aber als ich noch ganz klein war, bin ich schon nach Mexiko gekommen.«»Ja«, meinte Brakenburg, »bist du denn staatenlos, oder willst du dich zu Hause nach der Staatsangehörigkeit erkundigen?«»Staatenlos.«Das war ein unbekanntes Wort für die Jungen. Sie sahen erst Brakenburg an, und dann wandten sie sich nach dem neuen Klassengenossen um, der aus einer anderen Welt zu ihnen kam. Ein Junge ohne Vater, ohne Mutter, ohne Vaterland ... Brakenburg fragte weiter: »Warum bist du nicht Amerikaner, wenn du in den Vereinigten Staaten geboren bist?«»Ja«, sagte der Neue ruhig, »das ist eine lange Geschichte.«»Das macht nichts, erzähle nur ruhig.«»Als meine Mutter gestorben war, kam ich zu entfernten Verwandten auf eine Hazienda. Das ist eine Farm, die Weißen gehört und wo viele Indianer arbeiten. Dort blieb ich sechs Jahre ...«Janko hatte zögernd gesprochen, dann aber setzte er schnell fort, und man merkte ihm an, dass er nicht zu viel sagen wollte: »Dann kam ich nach Mexiko-City, von da nach New York und von dort hierher.«Brakenburg guckte eine Weile in das Klassenbuch. Es war ganz ruhig in der Klasse. Dann unterbrach er die Stille und sagte:»Das ist natürlich keine Erklärung dafür, dass du staatenlos bist. Aber das wirst du selbst ja wohl kaum wissen. Wann bist du geboren, und wo wohnst du hier?«Der Neue hatte gerade gesagt, dass er am 7. Dezember 1918 geboren sei und bei Frau Sauerland wohne, da klopfte es. Der Schuldiener Braun steckte seinen Kopf durch den Türspalt und bat Brakenburg, sofort zum Direktor zu kommen. Der Schuldiener zwinkerte den Jungen vergnügt zu, und die Tür schloss sich wieder. Brakenburg stand auf und ging schneidig und elastisch in einem eng sitzenden, tadellos gebügelten Anzug aus der Klasse. Es war feierlich still im Schulgebäude während der Unterrichtszeit. Seine Schritte hallten durch die Gänge.*Direktor Linde saß hinter seinem Schreibtisch, als Brakenburg eintrat. Er stand langsam auf und schüttelte ihm die Hand:»Verzeihen Sie, lieber Herr Kollege, dass ich Sie mitten im Unterricht stören muss, aber ich habe vergessen. Sie über den neuen Schüler Ihrer Klasse zu informieren. Vor allem möchte ich nicht, dass Sie ihn vor den anderen Jungen nach seinen privaten Verhältnissen befragen. Ich habe alle Einzelheiten seines Lebenslaufs und seiner Herkunft in einem besonderen Aktenstück niedergelegt.«»Ja«, meinte Brakenburg, »dieser Junge macht in der Tat einen merkwürdigen Eindruck auf mich.«»Sehen Sie, lieber Kollege«, fuhr Direktor Linde fort, »ursprünglich wollte ich ein so fremdes Element gar nicht in meine Schule aufnehmen. Der Junge ist in Mexiko aufgewachsen unter Verhältnissen, die von den unseren himmelweit verschieden sind. Man weiß nie, was für Ideen ein solcher Junge mitbringt und wie weit er sich an unsere Lebensanschauungen anpassen kann. Er scheint aber auch sonst ein außergewöhnliches Kind zu sein. Mit zehn Jahren ist er seinen Verwandten davongelaufen, hat sich herumgetrieben, sich durch eigene Arbeit durchgebracht, und so ist er nach New York gekommen. Dort wurde er von einer Wohlfahrtsbehörde aufgegriffen. Es lässt sich nicht einmal feststellen, welche Staatsbürgerschaft der Junge hat. Ich habe mir wirklich lange überlegt, ob ich ein Kind ohne geregelte Beziehungen zu seinem Vaterland oder seiner Familie mit unseren Schülern zusammenbringen kann.«Direktor Linde dachte nach. Er strich sich mit der Hand über die Stirn. Dann fuhr er fort:»Nun, es ging nicht anders. Sie kennen Frau Sauerland, die Gattin meines verstorbenen Vorgängers. Sie arbeitete damals im Wohlfahrtsamt in New York und hat den Jungen mit herübergebracht. Ich konnte es ihr nicht abschlagen, ihren Pflegesohn in meine Schule aufzunehmen. Aber ich habe mir vorbehalten, den Jungen jederzeit wieder zu entfernen, wenn ich sehe, dass sein Einfluss auf unsere Schüler ungünstig ist. Er ist also nur probeweise aufgenommen. Deshalb bitte ich Sie, den Schüler besonders im Auge zu behalten.«»Selbstverständlich«, sagte Brakenburg, »ich werde auch mit meinen Kollegen darüber sprechen.«Als Brakenburg aus dem Direktorszimmer kam, wunderte er sich über die Ruhe. Sonst, wenn er die Klasse allein ließ, erhob sich sofort ein wüstes Geschrei und Geschwätz. Aber heute schien die Anwesenheit dieses Neuen mit seinem abenteuerlichen Schicksal die Gemüter zu beschäftugen, die Jungen ebenso sehr wie die Lehrer.

Informationen zu E-Books

„E-Book“ steht für digitales Buch. Um diese Art von Büchern lesen zu können wird entweder eine spezielle Software für Computer, Tablets und Smartphones oder ein E-Book Reader benötigt. Da viele verschiedene Formate (Dateien) für E-Books existieren, gilt es dabei, einiges zu beachten.
Von uns werden digitale Bücher in drei Formaten ausgeliefert. Die Formate sind EPUB mit DRM (Digital Rights Management), EPUB ohne DRM und PDF. Bei den Formaten PDF und EPUB ohne DRM müssen Sie lediglich prüfen, ob Ihr E-Book Reader kompatibel ist. Wenn ein Format mit DRM genutzt wird, besteht zusätzlich die Notwendigkeit, dass Sie einen kostenlosen Adobe® Digital Editions Account besitzen. Wenn Sie ein E-Book, das Adobe® Digital Editions benötigt herunterladen, erhalten Sie eine ASCM-Datei, die zu Digital Editions hinzugefügt und mit Ihrem Account verknüpft werden muss. Einige E-Book Reader (zum Beispiel PocketBook Touch) unterstützen auch das direkte Eingeben der Login-Daten des Adobe Accounts – somit können diese ASCM-Dateien direkt auf das betreffende Gerät kopiert werden.
Da E-Books nur für eine begrenzte Zeit – in der Regel 6 Monate – herunterladbar sind, sollten Sie stets eine Sicherheitskopie auf einem Dauerspeicher (Festplatte, USB-Stick oder CD) vorsehen. Auch ist die Menge der Downloads auf maximal 5 begrenzt.