Lesung mit Mechtild Borrmann
Uckermark April 1945: ein großer Gutshof wird von der russischen Armee eingenommen, die Gutsfamilie und ihre Angestellten fliehen und verstecken sich.
Gutsherr Anquist, seine Kinder, Schwiegerkinder und Enkel werden getrennt und treffen sich erst lange nach dem Krieg wieder.
Hamburg 1946/47: Im Jahrhundertwinter mit Minusgraden bis 20 Grad versucht Hanno, erst vierzehnjährig, mit dem Einsammeln und Verkaufen von Altmetall und anderen verwertbaren Dingen, die er in den Trümmern der Hansestadt findet, seiner Familie das Überleben zu sichern. Er lebt mit Mutter und Schwester in einem notdürftig hergerichteten Zimmer in einem zerbombten Haus, der Vater gilt als vermisst.
Auf einem seiner Streifzüge entdeckt Hanno in einem Keller eine Tote - nicht ungewöhnlich in diesen Monaten. Diese Frau jedoch erschreckt Hanno: Sie ist nackt und sieht nicht so aus, als sei sie erfroren. Ganz in der Nähe des Kellers findet Hannos Schwester einen etwa drei Jahre alten Jungen, der kein Wort spricht und halb erfroren scheint. Kurzerhand nehmen die beiden ihn mit nach Hause, wo er versorgt wird, obwohl die Familie kaum genug für sich hat. Joos - so wird er genannt - spricht lange Zeit kein Wort und wird später als Adoptivsohn legal zu den Dietzens gehören.
Seine Suche nach der eigenen Identität beginnt 1992 in Köln, wo er als Architekt mit der Restaurierung eines alten Gutshofes in der Uckermark beauftragt wird.
Mechtild Borrmann, für "Wer das Schweigen bricht" mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, lebt und arbeitet in Bielefeld.