Beschreibung
Neidharts Dichtung bricht mit der minnelyrischen Tradition, ihren gattunsstiftenden Strukturen und Motiven mit einer Entschiedenheit, die um so provokativer in Erscheinung tritt, als der Traditionszusammenhang, dem sie naturgemäß verhaftet bleibt, permanent erinnert wird und als stetiger Bezugspunkt und Hintergrund fungiert.
Autorenportrait
Neidhart, Liederdichter der 1. Hälfte des 13. Jh.s, der sich selbst - allegorisch - von Riuwental nennt. Soziale und geographische Herkunft sind nicht sicher geklärt. Er wirkte nach Auskunft seiner Texte zunächst in Bayern und dann v. a. am Wiener Hof und in Niederösterreich. Wahrscheinlich nahm er am Kreuzzug von 1217 bis 1221 teil. N.s Texte bedeuten einen radikalen Bruch mit dem herkömmlichen mhd. Minnesang; sie verwenden Sprache und Motive der so genannten 'Hohen Minne' nur, um sie durch die Einbeziehung 'dörperlicher' Elemente, d. h. bäuerischer Grobheit und unverhüllter Sexualität, desto greller zu parodieren. N.s Lieder zerfallen in zwei Gruppen: Die Sommerlieder, Tanz- und Reigenlieder mit einem lebendigen Natureingang, handeln von sommerlichem Tanz und Spiel in dör?icher Umgebung und zeigen den Ritter oder Knappen von Riuwental in der Rolle des Umworbenen; die Winterlieder kontrastieren einen scheinbar traditionellen Natureingang mit wilden, lärmenden Tanzstubenszenen, in denen sich der Ritter der Eifersucht und der Wut der Bauernburschen ausgesetzt sieht und oft genug den Kürzeren zieht. Eine neue Haltung zeigt auch N.s Kreuzlied: keine Auseinandersetzung zwischen Minne- und Gottesdienst, sondern ein Lied gegen den Kreuzzug, eine Art Aufruf zur Rückkehr. N.s Texte sind gut überliefert und fanden viele Nachahmer. In: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Von Volker Meid. 2., aktual. und erw. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2006. (UB 17664.) - © 2001, 2006 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart.