Beschreibung
In Anna, oder Anna In, Göttin der Liebe, der Fruchtbarkeit, des Mondes, aber auch des Krieges, herrscht über das sumerische Uruk - ein mythischer, lichter Ort, wo Fahrstühle auch nach links und rechts fahren und Gärten vom Himmel hängen, ein Ort, der eher in der nahen Zukunft als in einer fernen Vergangenheit zu liegen scheint. Anna In ist schön, jung, verführerisch, aber auch ungestüm, unstet und machtbewusst. Eines Tages ruft ihre Zwillingsschwester, die Herrscherin der Unterwelt, sie zu sich. Und Anna In steigt hinab, in die Katakomben, ins dunkle Reich des Todes. Niemand ist je von dort zurückgekehrt. Welches Opfer wird AnnaIn bringen müssen, um wieder hinaufzusteigen, zu den Lebenden? Olga Tokarczuk erzählt in Frau Diesseits und Frau Jenseits einen 4000 Jahre alten Mythos auf einzigartige Weise neu. Mit viel Ironie und einer großen Portion Respektlosigkeit verbindet sie das Hohe und Erhabene mit dem Profanen, Allgemeinmenschlichen - und holt den altehrwürdigen Mythos so in unsere Gegenwart.
Leseprobe
'Jemand wie Anna In, In Anna, sieht alles lebendig - jedes Rädchen der Welt, selbst den kleinsten Gegenstand. Wir aber, die wir kleiner sind als sie, können nicht so sehen. Uns wird eine solche Sicht nur zufällig zuteil, in besonderen Momenten, und rasch fällt sie wieder dem Vergessen anheim. Aus ebendiesem Grund sind wir sterblich. Von unserer Geburt an gewöhnen wir uns an das Unbelebte. Wäre es uns gegeben, die Welt lebendig zu sehen, vom Anfang bis zum Ende, so könnten wir nicht sterben, und wollten wir es noch so sehr.'