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Dr. Siri sieht Gespenster

Dr. Siri ermittelt 2 - Roman, Manhattan

Erschienen am 18.05.2009
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442546442
Sprache: Deutsch
Umfang: 320 S.
Format (T/L/B): 2.8 x 20.4 x 13.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Mysteriöse Todesfälle im exotischen Laos – Dr. Siris 2. Fall Für Dr. Siri, den einzigen Leichenbeschauer von ganz Laos, bringt der Frühling in Laos nicht nur große Hitze, sondern auch seltsame Todesfälle: Ein Bär ist aus dem Käfig eines Nobelhotels entwischt und scheint nun die Straßen von Vientiane unsicher zu machen. Denn wer oder was sonst sollte die Obstverkäuferin getötet haben, die offenbar von einer mit Klauen und Zähnen bewehrten Kreatur zerfleischt wurde? Und sie bleibt nicht das einzige Opfer. Bald werden weitere Frauen mit ähnlichen Wunden aufgefunden und zu Dr. Siri gebracht. Gleichzeitig geben ihm zwei tote Männer Rätsel auf, die auf einem vollständig verbeulten Fahrrad mitten in der Hauptstadt gefunden wurden. Mit Hilfe seiner beiden Angestellten – des unter einem leichten Down-Syndrom leidenden Mr. Geung und der zupackenden Krankenschwester Dtui – untersucht Siri die Todesfälle. Dabei bekommt er es mit einem abgesetzten König, einer Truppe russischer Zirkusartisten inklusive Dompteur und ein paar Holzpuppen mit einer riesigen Wut im Bauch zu tun  ...

Leseprobe

DEMOKRATISCHE VOLKSREPUBLIK LAOS, MÄRZ 1977 Das HammerundSichelNeon über dem Nachtclub des Lane Xang Hotels summte und sprang flackernd an. Jenseits des Mekong war die Sonne blassrot und bleischwer in Thailand versunken, und die Hotelkellnerinnen entzündeten die kleinen Laternen, die den schlichten himmelblauen Saal in eine geheimnisvolle Höhle verwandelten. Binnen Stundenfrist würde eine große vietnamesische Delegation hier das Unterhaltungsprogramm des Politbüros der Laotischen Revolutionären Volkspartei über sich ergehen lassen müssen. Die Abgesandten würden arme, pelzbemützte Bauernjungen zu sehen bekommen, die tollpatschig russische Kosakentänze zur Aufführung brachten. Sie würden mittels langer Strohhalme halbvergorenen Reiswhisky aus riesigen Bottichen schlürfen, bis sie kaum noch stehen konnten. Und schließlich würden sie zu peinlichen Tanzeinlagen mit stämmigen jungen Damen genötigt werden, die nicht nur knöchellange Röcke, sondern auch fingerdickes Make-up trugen. Falls sie diese Lustbarkeiten wohlbehalten überstanden hatten, durften sie sich zur Ruhe betten. Tags darauf dann würden sie, mit mächtigem Brummschädel, ihren Namen unter Dokumente setzen, die den Grundstein für den neuen laotisch-vietnamesischen Freundschaftsvertrag legten, und sich hernach an kaum etwas erinnern. Aber noch war es nicht so weit. Die unterbesetzte Nachtschicht des Hotels hatte die unterbesetzte Tagschicht abgelöst. Die schwitzende Empfangschefin bügelte in dem verglasten Kabuff hinter der Rezeption ein Hemd. Das Zimmermädchen brachte einem kranken Gast im dritten Stock eine Schüssel Reisbrei. Hinter dem Haus verschloss ein alter Wachmann in einer Jacke, die so groß war, dass sie ihm bis zu den Knien reichte, das Tor zur Setthathirat Road. Nachts hielt das Tor streunende Hunde und den einen oder anderen Touristen fern, der im Garten vor den glühend heißen Nächten Schutz und Zuflucht suchte. Die zweieinhalb Meter hohe Mauer, die das Anwesen umgab, ließ es bedeutender erscheinen, als es tatsächlich war. Im schmuddeligen Swimmingpool trieb Laub. Blumen standen säuberlich in Reih und Glied in den Rabatten; sie bekamen mehr Wasser als die Leute draußen an der Straße. Und dann waren da noch die Käfige. Sie waren aus massivem Beton und so niedrig, dass ein Erwachsener sich bücken musste, um hineinzusehen. Zwei von ihnen standen leer. Sie beherbergten nur mehr die Geister der Tiere, die einst hier eingesessen hatten: ein Affe, gefolgt von einem Hirschen, ein wilder Hund, beerbt von einem Pfau. Doch im harschen Schatten des dritten Käfigs schnaufte etwas. Es bewegte sich nur selten, und wenn, dann höchstens, um sich träge die trockene Haut zu kratzen. Der namenlose Kragenbär wurde wie die Bougainvilleen mit dem Gartenschlauch abgespritzt und bekam von Zeit zu Zeit ein paar Küchenabfälle hingeworfen. Sein Fell war glanzlos und fleckig, wie der Teppich in einem viel begangenen Flur. Allein Buddha wusste, wie das Tier in seinem winzigen Gefängnis so lange hatte überleben können; doch Buddha stand in der sozialistischen Republik seit fünfzehn Monaten in Acht und Bann. Am frühen Abend und am Wochenende drängten sich die Leute vor dem Käfig und glotzten. Der Bär glotzte zurück, obwohl seine glasigen, blutunterlaufenen Augen die schadenfrohen Gesichter schon lange nicht mehr richtig erkennen konnten. Kinder lachten und zeigten mit dem Finger. Heldenhafte Väter stießen Stöcke durch die Stäbe, aber das schien den Kragenbär nicht im Mindesten zu stören. Am nächsten Tag gab man natürlich dem alten Wachmann die Schuld. "Zu viel Reiswhisky", hieß es. "Schlamperei." Der Wachmann stritt selbstredend alles ab. Er schwor Stein und Bein, die Käfigtür wieder verschlossen zu haben. Er habe die Reste des Festessens zu Ehren der Vietnamesen in die Futterschüssel des Tieres geworfen und den Käfig dann verriegelt. Da sei er sich hundertprozentig sicher. Als er gegen vier Uhr seine Runde gemacht habe, sei das Tier jedenfalls noch da gewesen. Er habe nic