Beschreibung
Generationen von Schülern lernten Schillers Balladen auswendig, nahmen den "Wallenstein" und "Maria Stuart" durch - selten zu ihrem Vergnügen. Manfred Mai aber zeigt uns Schiller als einen Menschen aus Fleisch und Blut, als Idol und Shooting Star seiner Zeit. Schiller als junger, enthusiastischer Dichter - bis heute.
Autorenportrait
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Leseprobe
»Wenn es wahr ist, so ist es schrecklich«, schrieb die Zeitschrift Minerva kurz nachdem Friedrich Schiller in Weimar beerdigt worden war. »Die Übereilung mit der Beerdigung, die durch keine warme Witterung notwendig gemacht wurde! Diese äußerste Stille! Diese Mitternachtsstunde, wie bei dem Begräbnis eines an der Pest Verstorbenen! Dieser isoliert fortgeschleppte Sarg ohne alles Gefolge! Diese bestellten Handwerker, die in Weimar die Leiche eines Schiller zu Grabe tragen sollten!« Und das war noch nicht alles: Schiller bekam nicht einmal ein eigenes Grab; er wurde auf dem Jakobsfriedhof im so genannten Kassengewölbe, einer Art Massengrab, beigesetzt. Im Totenregister steht sogar ein falscher Vorname: Carl Friedrich. Erst 22 Jahre später wurden seine sterblichen Reste in die Weimarer Fürstengruft überführt. Weil diese Reste aus dem Massengrab geholt werden mussten, in dem die Gebeine von mindestens 63 weiteren Menschen lagen, gab es immer wieder Zweifel, ob wirklich Schillers Schädel und Gebeine in der Fürstengruft liegen. Heute schüttelt man verwundert bis ungläubig den Kopf über die merkwürdige Beerdigung Schillers, der schon damals als größter deutscher Dichter neben Goethe galt und um 1800 populärer war als jener. Wieso wurde ein Literaturstar auf so unwürdige Weise unter die Erde gebracht? Manche Zeitgenossen munkelten, bei Schillers Tod sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen, deshalb habe man ihn bei Nacht und Nebel begraben. Es gab sogar Stimmen, die behaupteten, Goethe habe seine Finger im Spiel gehabt und so den zehn Jahre jüngeren Konkurrenten ausschalten wollen. Das ist Unsinn. Schiller hat seinem schwächlichen Körper immer viel, manchmal zu viel abverlangt und ihn dadurch weiter geschwächt. Der Sektionsbefund ergab eine völlig zerstörte rechte Lunge, ein geschrumpftes Herz, eine unnatürlich große Galle, verwachsene Därme und noch einige Schäden mehr. »Bei diesen Umständen muß man sich wundern, wie der arme Mann so lange hat leben können«, stellte der obduzierende Arzt fest. Gestorben ist Friedrich Schiller im Alter von 45 Jahren und 6 Monaten an einer akuten Lungenentzündung. Schillers Tod war unspektakulär, seine Beerdigung hätte es ebenfalls sein sollen - und wurde gerade dadurch im Nachhinein zum Spektakel. Nachdem die Minerva die Diskussion angestoßen hatte, versuchten die Beteiligten das Geschehen mit den unterschiedlichsten Erklärungen zu begründen und zu verharmlosen. Wie dem auch gewesen sei, die unwürdige Beerdigung, die gestörte Totenruhe und die Umbettung nach 22 Jahren zur letzen Ruhestätte können symbolisch für Schillers unruhiges und ungewöhnliches Leben stehen. Leseprobe