Beschreibung
Mit einem iPad kann man keine nassen Schuhe ausstopfen
Was lässt das permanente Kommunizieren, Technisieren und Digitalisieren vom echten Leben übrig? Selbst einem bekennenden Vertreter der analogen Daseinsform wie Thomas Montasser bleibt keine Wahl: Immer öfter mailt, surft und googelt auch er. Auf sehr vergnügliche Weise, aber auch nachdenklich erzählt er von seinen Begegnungen mit den Errungenschaften der digitalen Welt - und zeigt: Das wahre Leben findet im analogen Leben statt!
Wir googeln die Nachrichten, checken minütlich unsere E-Mails, scrollen durch Dateiverzeichnisse mit 4.658 Titeln, wenn wir Musik hören wollen, treffen unsere Freunde bei Facebook und lassen uns von Navigationssystemen und begriffsstutzigen Computerstimmen terrorisieren: Ohne digitale Medien geht es nicht mehr. Aber sind wir durch sie tatsächlich freier und schneller geworden? Und welche Folgen haben sie für unsere Identität und unsere Beziehungen? Wie viel Lebensqualität kostet es uns, permanent erreichbar und ständig vernetzt zu sein? Auf sehr amüsante Art berichtet Thomas Montasser, wie er die Konfrontation mit den Herausforderungen des technisierten Alltags wagt, und demontiert ganz nebenbei die Mythen des digitalen Zeitalters, in dem angeblich alles immer schneller geht - und wir trotzdem keine Zeit haben. Ein inspirierendes und sehr unterhaltsames Buch für alle, die sich Gedanken darüber machen, wie hoch der Preis ist, den wir für die Digitalisierung unseres Lebens zahlen.
Das Unbehagen an der Digitalisierung des Lebens wächst - immer mehr Menschen verweigern sich der permanenten Erreichbarkeit.
Autorenportrait
Thomas Montasser, Jahrgang 1966, ist seit über 20 Jahren als Literaturagent und Schriftsteller tätig. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in München, besitzt mehrere Computer, ein Handy, keinen MP3-Player, keine Spielkonsole, ist nicht bei Facebook und hat in seinem bisherigen Leben noch nie eine SMS geschrieben. Er lehrt an der Universität München und lernt im täglichen Leben - vor allem im analogen.
Leseprobe
Wovon Söhne träumen Erhobene Augenbraue. Wissendes Lächeln. Mein Sohn, fünfzehn Jahre alt, weiß mal wieder mehr als ich. 'Was meinst du, wann wird man Menschen von einem Ort an einen anderen beamen können?' Kein Zweifel, dass es eines Tages so weit sein wird. 'Ich hoffe nie', sage ich. 'Wieso?' 'Wieso nicht?' 'Nein, wieso hoffst du das?' Er ist ehrlich erstaunt. Dabei kennt er mich ja nun schon eine gute Weile und sollte also gar nicht erstaunt sein. Denn dass ich in technischen Fragen fast immer ganz anderer Ansicht bin als er, ist ihm auch schon aufgefallen. Negativ zumeist. Denn meine Technophobie ist für ihn eine Art Spaßverhinderungsfaktor, mit dem er immer rechnen muss, allerdings meist nicht rechnet. Wenn er ein neues Computerspiel kauft oder - noch schlimmer - aus dem Internet herunterlädt, dann sind wir beide immer ganz weit aus- einander. Er ist gefesselt, gebannt, fasziniert, ich bin gelangweilt, bestürzt und genervt. Oder wenn er ein neues Handy will, einen neuen MP3-Player oder sonst ein neues technisches Wunderwerk: Er kann Elogen darauf singen, meine Worte sind eher nicht zitierfähig. Ich habe mich lange gefragt, warum er so anders ist. Schließlich bin ich darauf gekommen: Ich bin anders. Anders als er, anders als meine Tochter oder auch meine Frau, anders als diese ganze Zeit, in die mich ein ironisches Schicksal verschlagen hat, obwohl ich nach den himmlischen Regeln zwei Generationen früher hätte zur Welt kommen müssen, vielleicht auch fünf. Meine Liebste nennt mich gern 'Mein Thomas von 1902'. Ich korrigiere sie dann mit den Worten: 'Dein Thomas von 1801'. Denn ich sehe es ja ein, ich bin unzeitgemäß. Und auch wenn sich Eigenlob wegen eines fragwürdigen Zitats olfaktorisch disqualifiziert hat - ich finde, das Unzeitgemäße hat durchaus sein Gutes. Denn es lohnt sich einfach, altmodisch zu sein! Musik ist etwas ganz anderes Neulich mit meiner Tochter im Jupiter-Markt. Ich kämpfe mich tapfer gegen die nervenzerfetzende Beschallung zu den Tonträgern vor, während sie sich schon mal bei den PCs umsieht. Denn sie ist zwölf, hat eisern gespart, clever um Zuschüsse geworben - und jetzt will sie endlich ihren ersten eigenen Computer (auch, weil ich ihr meinen nicht mehr geben will, seit ich nach ihren diversen Installationen kaum mehr weiß, wie ich mein eigenes Zeug darauf noch finden soll). Die CD hat die Musikindustrie ja letztlich ruiniert. Das heißt, eigentlich war es nicht die CD selbst, sondern nur ihre Besonderheit, die Digitalisierung. Früher gab es Platten (weshalb ich zur steten Irritation meiner Abkömmlinge auch heute noch vom 'Plattenladen' rede, in dem ich mir meine CDs kaufe). Das waren Zeiten! Diese schönen, großen schwarzen Scheiben, die in noch größeren Papphüllen steckten, deren jede ein Kunstwerk zu sein versuchte. Viele waren es ja auch. Heute muss man sich die Covers mit der Lupe ansehen, das wirkt natürlich längst nicht mehr so verführerisch, wie die Plattenhüllen von einst. Man hat die Vinylscheiben vorsichtig mit Daumen und Mittelfinger genommen und sacht mit dem nackten Unterarm vom Staub befreit, ehe man sie ebenso behutsam auf den Plattenteller legte. Wenn eine solche Schallplatte 'hing', dann wusste man, woran das lag: Sie hatte einen Kratzer, eine meist auch sichtbare und unheilbare Verletzung, die ein Lied, manchmal auch zwei Lieder, selten eine ganze Seite der Platte ruinierte. Der Rest ließ sich immer noch so gut abspielen wie ehedem. Heute ist das anders: Meine CDs hängen auch. Aber sie knacken nicht, sie spielen auch nicht eine Liedzeile immer und immer wieder. Stattdessen werden ganze Passagen wiederholt, eine Arie aus der Bohème ist plötzlich doppelt so lang - oder die Scheibe funktioniert gar nicht mehr, während andere CDs durchaus mehr oder weniger problemlos vom selben Gerät abgespielt werden. Was passiert da? Was macht die Technik, das ich nicht verstehe? Ist es nicht eigentlich so, dass die Lasertechnologie, die hier angewandt wird, all diese 'Kinderkrankheit