Beschreibung
Untersuchungsrichter Jacques Ricou verbringt den Abend in seinem Lieblingsbistro -Aux Folies-. Zusammen mit seinen Kollegen stößt er auf den Umzug in die Rue Belleville an, als ihn ein Anruf erreicht: Eine Freundin ist Zeugin des brutalen Mordes an dem Lobbyisten Marc Leroc geworden. Jacques und Kommissar Mahon nehmen noch in derselben Nacht die Ermittlungen auf: Leroc war beim Kauf der Leuna-Raffinerie als Mittelsmann von France Oil dafür verantwortlich, Millionen zu waschen und an deutsche Politiker zu verteilen. Die Spur führt zum ehemaligen Staatssekretär Holm Mormann - aber der ist plötzlich untergetaucht. Jacques muss mit der uner-gründlichen Leipziger Staatsanwältin von Rintelen kooperieren, um voranzukommen ... Nach seinem politischen Bestseller -Gauner muss man Gauner nennen- erzählt Ulrich Wickert von Korruption, Intrigen und den ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden seines Richters aus Paris - ein Kriminalroman der Extraklasse!
Autorenportrait
Ulrich Wickert, geboren 1942 in Tokio, studierte in Deutschland Jura und in den USA Politische Wissenschaften. Von 1977 bis 1991 war er ARD-Korrespondent in Washington, New York und Paris, von 1991 bis 2006 moderierte er die 'Tagesthemen'. Er ist Autor zahlreicher Bücher, darunter 'Vom Glück, Franzose zu sein', 'Zeit zu handeln', 'Die Zeichen unserer Zeit', 'Alles über Paris', 'Gauner muß man Gauner nennen' und der beiden Krimis 'Der Richter aus Paris' und 'Die Wüstenkönigin'. 2005 wurde Wickert in Frankreich zum 'Offizier der Ehrenlegion' und 2006 zum Sekretär der Academie de Berlin ernannt. Er lebt in Hamburg und Südfrankreich, wo er neben seinen Kriminalromanen auch politische Sachbücher schreibt. Weiteres zum Autor: www.ulrich-wickert.de
Leseprobe
Ein oder zwei Café crème und ein oder zwei Croissants, mehr brauchte er morgens nicht. Margaux hatte das Wochenende bei ihm in seiner neuen Wohnung in der Rue de Belleville verbracht, und nun frühstückten sie im altehrwürdigen Bistro Aux Folies, das der auvergnatische Bistrowirt Gaston gerade übernommen hatte. »Das hätte man auch ein bisschen präziser aufbereiten können.« Margaux regte sich über den Artikel in Libération auf, in dem von der Pressekonferenz des Verlages mit Marc Leroc berichtet wurde. Sie knüllte die Zeitung zusammen und warf sie auf den leeren Bistrostuhl neben sich. »Worum gehts denn?«, fragte Jacques, ließ seine Zeitung sinken und nahm einen Schluck aus der Tasse vor ihm. »Es geht nur um eine Geschichte, hinter der auch ich gerade her bin«, sagte Margaux, die über andere Journalisten häufi g sehr streng, manchmal gar abfällig urteilte. Mach dir nichts draus, hatte sie Jacques einmal gesagt. Wir Journalisten sind so. Und da Margaux unter den Zeitungsleuten in Paris einen guten Ruf als harte Rechercheurin mit Stil hatte, konnte sie sich manch bösen Kommentar über schlechte Artikel anderer erlauben. Aber Margaux unterbrach ihn: »Hör doch erst mal zu, wie es weitergeht.«Jacques nickte. »Leroc hat gesagt: Durch meinen Bericht wird das politische System in Deutschland ins Wanken kommen. Ich werde eine bisher unbekannte Geldquelle aufdecken. Darauf fragt ein Journalist: Was heißt Geldquelle? Und die Antwort: Millionen, die auf einem Konto bei einer Bank in einer Steueroase liegen und für politische Zwecke abberufen werden. Meist in bar. Nächste Frage: Warum kommen Sie damit jetzt erst raus? Leroc: Die meisten Beweise habe ich erst nach mühseliger Arbeit zusammenstellen können. Und ein zusätzlicher Zeuge wird spätestens beim Erscheinen meines Buches öffentlich aussagen. Frage: Wer ist dieser Zeuge? Hat er einen Namen? Wie ist er in die Sache verwickelt? Und: Weshalb trauen Sie ihm?Lerocs Antwort: Wir haben viel zusammen gearbeitet. Ich würde sagen, er ist sogar ein Freund.« Margaux sah von der Zeitung auf. »Jetzt kommt sozusagen der letzte Satz, der natürlich von einer Journalistin stammte: In diesem Fall wohl ein nützlicher Freund. Danach hat der Verleger die Pressekonferenz abgebrochen und auf das Erscheinen des Buches in zehn Wochen verwiesen. « Margaux stand auf. »So, das wars.« »He, du kannst doch jetzt nicht gehen. Erzähl mir erst, was du über den nützlichen Freund zusätzlich heraus gefunden hast«, entrüstete sich Jacques. »Nix. Das muss dir jetzt erst mal reichen«, sagte Margaux und raffte ihre Tasche und den dünnen Mantel zusammen. »Ich muss jetzt los.« Sie gab Jacques einen Abschiedskuss auf den Mund. Gaston beobachtete sie aus einem Augenwinkel und fragte: »Kommst du heute Abend, ich gebe doch hier meinen Einstand?« »Natürlich komme ich. Jacques hat es mir schon gesagt. Es wird vielleicht ein bisschen später. Ich habe um sieben noch einen Termin.« Gaston schaute ihr hinterher, bewunderte ihre sportliche Figur und den energischen Gang, mit dem sie die Rue de Belleville hinuntereilte und im Eingang zur Métro verschwand. »Noch einen Crème, Monsieur le juge?«, fragte der Bistrowirt, als Jacques kurz von seiner Lektüre aufschaute. »Habe ich schon zwei?« »Nein, du hattest erst einen Crème und ein Croissant. « »Dann bring mir noch mal beides.« »Herrlich warmer Frühling«, plauderte Gaston weiter, »schön, dass man schon draußen sitzen kann.« Als Jacques nichts sagte, zwirbelte Gaston an seinem auvergnatischen Bart, der nach rechts und links außen und an den Enden nach vorn gezwirbelt wurde, und ging. »Voilà, Monsieur le juge.« Ein paar Minuten später stellte er die Tasse und den Teller vor Jacques ab, nahm das benutzte Geschirr hoch und fragte: »Seid ihr eigentlich wieder zusammen?« Jacques seufzte, schüttelte den Kopf, weil er nicht antworten wollte, sagte dann aber doch: »Ach, das ist mal so, mal so.« Ein guter Wirt weiß, wann er zu schweigen hat. Gaston stellte sich an die Tür zu seinem Bistro und schaute sich das zunehmende Gewimmel auf der Straße an. Als Jacques bezahlte, erinnerte Gaston auch ihn an die Fete am Abend: »Du gehörst doch zu den Stammgästen aus dem alten Bistro. Du musst kommen!« »Und ob ich komme, ich bringe vielleicht noch ein paar Leute mit. Aber bei mir wird es wohl auch ein bisschen später, neun, halb zehn. Bei Gericht gibts heute eine Coupe de Champagne, Marie Gastaud wird in ihr neues Amt eingeführt. Und da sie mich mitgenommen hat, gehört sich ein Act de présence.« »Im Palais de justice?« »Auf der Ile de la Cité. Die alten Büros sind zwar ein bisschen dunkler als die modernen am Gericht in Créteil, aber ich brauche jetzt kaum zehn Minuten mit der Métro.« »Nimmst du nicht deinen Dienstwagen?« »Hier fi nde ich sowieso keinen Parkplatz, also lasse ich ihn meist in der Dienstgarage.«