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Beim Leben meiner Familie

Roman

Erschienen am 10.06.2014
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783492304726
Sprache: Deutsch
Umfang: 331 S.
Format (T/L/B): 2.4 x 19 x 12.2 cm
Einband: kartoniertes Buch

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Hersteller:
Piper Verlag GmbH
Mark Oliver Stehr
info@piper.de
Georgenstraße 4
DE 80799 München

Autorenportrait

Anita Shreve, geboren 1946 in Massachusetts, verbrachte einige Jahre als Journalistin in Afrika und bereiste weite Teile Kenias, bevor sie in die USA zurückkehrte und Schriftstellerin wurde. 'Die Frau des Piloten' und der für den Orange Prize nominierte Roman 'Das Gewicht des Wassers' waren große internationale Erfolge. Es folgten zahlreiche weitere Romane, die weltweit millionenfach verkauft wurden. Anita Shreve verstarb Ende März 2018 im Alter von 71 Jahren in New Hampshire.

Leseprobe

Für Jennifer Rudolph Walsh In Zuneigung und großer Dankbarkeit   Webster läuft auf Strümpfen die schmale Treppe hinunter und sagt 'Arme Ritter', als er um die Ecke biegt. Rowan, über die Pfanne gebeugt, an der vor lauter Kratzern kaum noch Teflon übrig ist, wird rot. Webster liebt das Gesicht seiner Tochter. Selbst als Säugling hatte sie schon dieses zusätzliche Stückchen Stirn, vielleicht ein halber Zentimeter, über den Augenbrauen. Als hätte jemand eine Zange angesetzt und ihren Kopf ein klein wenig in die Länge gezogen. Es macht ihre blauen Augen größer und lässt sie wie leicht erstaunt über das Leben aussehen.Webster gefällt das. Rowan, mit braunem, fast schwarzem Haar, hat den gleichen Haaransatz wie er, spitz zulaufend, mit zwei Einbuchtungen wie Geheimratsecken an den Seiten. Sie kaschiert sie mit Stirnfransen. Webster kaschiert die seinen, stärker ausgeprägten, mit einer Baseballcap. Diese Ecken sind ein Problem und werden immer eins sein. Webster öffnet den Kühlschrank, um den Saft herauszunehmen. 'Hab ich schon gemacht', sagt Rowan. Webster dreht sich um, der Küchentisch ist liebevoll gedeckt:Teller, Besteck, Servietten, die Butter in der alten Butterdose, nicht wie sonst auf einer Untertasse, der Saft in richtigen Saftgläsern. Rowan hat einen blassblauen Pulli von J. Crew an, den er ihr zu Weihnachten geschenkt hat. Etwas geht zu Ende, und sie wollen es nicht unbeachtet lassen.Webster denkt das nun schon seit Monaten. Der Geburtstag muss heute Morgen gefeiert werden. Webster hat die Nachtschicht. Rowan lässt die Armen Ritter auf die Teller gleiten. 'Du hättest dich an einer Kochakademie bewerben sollen.' Webster setzt sich und rückt seinen Stuhl näher an den Tisch. Falsche Bemerkung. Er erkennt es an dem kurzen Zucken ihres Mundes. Eben noch da, ist es gleich wieder weg. Drei Universitäten haben Rowan abgelehnt, unter ihnen das Middlebury College, ihre erste Wahl. Webster erinnert sich, wie seine Tochter am 15. März in der Küche am Computer saß und darauf wartete, dass es fünf Uhr werden würde. Genau an diesem Tag, zu dieser Stunde verschickten bestimmte Universitäten ihre Bescheide. Webster klapperte am Spülbecken herum, bearbeitete immer wieder dasselbe Glas und tat so, als wäre er gar nicht da. Er wusste genau, wann es so weit war. Die Minute verstrich. Ebenso die nächsten Minuten. Kein Ton von Rowan. Kein Freudenschrei, kein glücklicher Juchzer. Vielleicht waren die Universitäten diesmal spät dran mit ihren Ergebnissen, dachte Webster, obwohl er wusste, dass es nie klappte, wenn man auf göttliche Intervention hoffte. Er starrte auf den Rücken seiner Tochter. Sie saß ganz still, den Blick auf ihre Hände gerichtet, während sie mit dem silbernen Ring an ihrem Mittelfinger spielte.Webster hätte gern etwas gesagt, sie berührt, aber das ging nicht. Es würde ihr peinlich sein, alles nur schlimmer machen. Besser, er ließ Rowan in Ruhe. Nach zwanzig Minuten in unveränderter Haltung stand Rowan auf und verließ die Küche. Sie ging in ihr Zimmer hinauf und kam nicht mehr herunter, nicht einmal zum Abendessen. Webster war erst wütend auf die Universitäten, dann nur noch traurig. Bis zum nächsten Morgen gelang es ihm, sich zu aufmunternder Zuversicht durchzuringen. Er versuchte ihr die Universität von Vermont schmackhaft zu machen, bei der sie sich nur zur Sicherheit beworben hatte und an der sie für den Herbst angenommen worden war. Aber sie wollte dort gar nicht hin. Sie hatte sich eine kleinere Universität gewünscht. Am schwersten zu ertragen war für Webster das Ausbleiben des Freudenschreis, des glücklichen Juchzers. Rowan hätte ihn verdient gehabt. Webster hätte ihn verdient gehabt. ' Köstlich ', sagt Webster jetzt. Das Brot ist dick geschnitten, gut durchtränkt mit Milch und Ei und genau richtig geröstet. Rowan kippt Sirup auf ihren Teller. Webster isst seinen Armen Ritter ohne alles, wie immer, höchstens häuft er manchmal einen Löffel Marmelade auf das letzte Stück. Er erinnert sich