Beschreibung
Als die Kinderbuchillustratorin Emma an einem Spätsommertag zu einer Radtour aufbricht, ahnt sie nicht, dass für sie ein Albtraum beginnt: Ein Unbekannter zerrt sie in seinen Lieferwagen und verschleppt sie. Fünf Tage bleibt sie in der Gewalt des Mannes, der sein Gesicht hinter einer Maske verbirgt. Doch als Emma endlich freikommt, ist der Schrecken noch nicht vorbei. Die Polizei vermutet, sie habe ihre eigene Entführung inszeniert. Emma sieht keinen anderen Ausweg, als sich selbst auf die Suche nach dem Täter zu machen.
Autorenportrait
Sabine Kornbichler, geboren 1957, wuchs an der Nordsee auf und arbeitete in einer Frankfurter PR-Agentur, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Schon ihr Debüt 'Klaras Haus' war ein großer Erfolg, ihr Kriminalroman 'Das Verstummen der Krähe' wurde für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Sabine Kornbichler lebt und arbeitet als Autorin in der Nähe von München.
Leseprobe
Im Kalender war dieser Donnerstag als Herbstanfang vermerkt. In Wirklichkeit war er spätsommerlich - von der Sonne beschienen und mit einem kaum spürbaren kühlen Unterton. In meine Erinnerung würde er sich für immer als der zweiundzwanzigste September eingraben. Wie an jedem anderen Werktag auch war ich früh aufgestanden. Ich mochte diese Stunde, wenn der Tag gerade erwachte und das Gras noch feucht war. Während ich zum Ende der Auffahrt lief, um die Zeitung aus dem Postkasten zu holen, atmete ich die Morgenluft ein und dachte an den vergangenen Abend. Ich hatte ihn mit meiner Freundin Verena verbracht. Eigentlich wollte sie mich an diesem Vormittag auf meiner Radtour begleiten. Es würde jedoch an ein Wunder grenzen, wenn sie dies wahr machte. Im Vorbeigehen legte ich die Zeitung auf den Gartentisch, füllte zwei große Gießkannen mit Wasser und ging zu den beiden Terrakottakübeln, die den Hauseingang säumten. Ich strich über die dunkellila, mit gelben Herzen gefüllten Blüten meiner durstigen Enzianbäume. 'Guten Morgen, ihr Schluckspechte', begrüßte ich sie. Während ich den Inhalt der Gießkannen in die Kübel leerte, wanderte mein Blick die Hauswand hinauf. Anstatt Heilige darauf zu malen, wie es hier im Chiemgau üblich war, hatte ich mich für Feengestalten entschieden. Sie hat ten unserem Haus seinen Namen gegeben: Die Leute nannten es Feenhaus. Drinnen ertönte das Telefon. Nach dem fünften Mal würde der Anrufbeantworter anspringen. Ich stellte die Gießkanne ab und spurtete in die Küche. Zwischen dem vierten und fünften Klingeln griff ich nach dem Hörer. Die Küchenuhr zeigte halb acht. So verschieden mein Mann Laurenz und ich in mancher Hinsicht waren - in unserem Hang zu Gewohnheiten ähnelten wir uns. Genau wie ich stand er morgens gegen sieben Uhr auf. Während ich im Feenhaus in Aschau Teewasser aufsetzte und die Zeitung holte, schaltete er in unserer Münchener Wohnung die Kaffeemaschine ein, ging unter die Dusche und rief mich danach an. Nur an den Wochenenden, die er gemeinsam mit mir im Feenhaus verbrachte, begannen unsere Tage anders. Da schliefen wir aus und lebten in den Tag hinein. 'Morgen, Emma.' Laurenz Stimme klang, als habe er sie in Alkohol gebadet und stundenlang rauchgeschwängerter Luft ausgesetzt. 'Hoffentlich fühlst du dich nicht so, wie du klingst.' 'Mein Kunde hat mich gestern Abend noch zu einer Kneipentour überredet. Hätte ich geahnt, wie sich mein Kopf heute Morgen anfühlen würde, hätte ich abgelehnt.' Er hustete. 'Was hast du heute vor?' 'Um zehn bin ich mit Vreni zum Radfahren verabredet und dann.' 'Euer wievielter Versuch ist das?', unterbrach er mich. 'Ich zähle nicht mit.' 'Warum gibt sie es nicht auf?' 'Weil sie vor ihrem Sturz Spaß daran hatte. Wenn sie aufgibt, ist es, als wäre sie noch einmal gestürzt.' 'Manchmal ist es klüger, etwas aufzugeben. Wahrscheinlich würde sie vor lauter Angst beim kleinsten Abhang gleich wieder stürzen.' 'Sollte sie tatsächlich mitkommen, suche ich uns eine leichte Strecke aus.' 'Na ja, wenigstens wärst du dann nicht alleine. Mir wäre wirklich wohler, wenn du.' 'Ich werde mir kein Handy anschaffen!' Die Diskussion, die jetzt unweigerlich folgte, führten wir nicht zum ersten Mal. 'Die Strahlung, die von einem Fernseher ausgeht, ist.' '. weit höher, ich weiß. Aber ich habe noch kein einziges Mal so ein blödes Ding vermisst.' 'Es gibt Notfälle, da kann dir so ein blödes Ding das Leben retten.' 'Laurenz, ich bin nicht die Einzige, die da draußen unterwegs ist. Wenn ich mir ein Bein breche, dann wird sich schon jemand fi nden, der einen Notarzt ruft. Und wenn mir irgendwo ein böser Bube aufl auert, dann hilft mir auch kein Handy. Und jetzt hör auf, dir Sorgen zu machen. Pfl eg lieber deinen Kater. Kannst du dich nicht noch mal eine Stunde hinlegen?' 'Geht nicht, ich habe um neun den ersten Termin.' 'Apropos Termin: Ich habe den Auftrag bekommen. Ich werde den neuen Kinderkrimi von Juliane Wolfi nger illustrieren. Heute um f