Beschreibung
Wenn der Mensch vom Affen abstammt, was wird dann aus dem Menschen? Den Bourgeois des 19. Jh. hätte keine schlimmere Nachricht treffen können als die, dass er vom Affen abstammt. Ausgerechnet vom Affen! - Diesem grotesken Zerrbild des kultivierten Menschen, von dem in der damaligen Umgangssprache nur im abschätzigen, diskriminierenden Sinn die Rede war. Auch die Wahrer der Weltordnung, die Theologen zuerst, zeigten sich erschüttert. Was war denn nun mit der wohlgefügten Leiter, die vom Himmel bis in die Unterwelt reichte und dem Menschen einen Platz nächst Gott, weit über den Tieren zuwies? Ist aus dem Ebenbild Gottes das Ebenbild des Affen geworden? Die Schockwellen der kulturellen Erschütterung Wie ein Meteorit schlug die Evolutionstheorie in die Geisteswelt ein. Zutiefst getroffen und verletzt war das Konzept des menschlichen Seins. Wie die Sapiens zur Tierwelt stehen und ob es da überhaupt einen Unterschied gibt, musste ganz neu bestimmt werden. Nietzsche zog entschlossen die Linie über den Menschen hinaus und verkündigte den Übermenschen. Kafka, Benn und Canetti gingen andere, unvergleichliche Wege. Die neuerfundene Fotografie, darin Spiegel ihrer Zeit, bekam die Tiere als Objekte vor die Linse und schoss Bilder wie Jagdschüsse. Kreative Theologen montierten ihre Lehrgebäude um. Die Anthroposophie schwang sich zu fantastischen Kosmologien auf. Unterdessen schritt die Industrialisierung der Tierverwertung voran. Die Frage, wie der Mensch zu seinen tierischen Verwandten steht, ist bis heute virulent. Reaktionen auf Darwins Abstammungslehre aus multidisziplinärer Sicht Eine Fundgrube für die humananimalDebatte Zukunftsszenarien der MenschTierBeziehung Kooperation einer italienischdeutschen Forschungsgruppe Zwischen Décréation und Transhumanismus Die zwölf Beiträge des aus einer Tagung in Rom hervorgegangenen Bandes erörtern über die historische Spurensuche hinaus die Frage nach der Zukunft der Mensch-Tier-Beziehung. Wäre es gut, wenn sich die Menschheit abschafft? Oder kann technische Optimierung helfen, aus der Affinität zu den Tieren herauszukommen? Damit landet der Band bei der Kernfrage der gegenwärtigen politischen Ökologie.
Autorenportrait
Stefano Franchini, geboren 1975, seit 2019 Senior Researcher am Istituto Italiano di Studi Germanici in Rom. Zuvor Studium der Politikwissenschaften, Promotion in Religionswissenschaften in Bologna und Heidelberg, wiss. Mitarbeiter für Soziologiegeschichte an der Universität Turin, Forschungsstipendiat beim Lehrstuhl für Erziehungswissenschaften an der Universität Bergamo. Forschungsschwerpunkte: Historische Anthropologie an der Schnittstelle zwischen Religionsgeschichte und deutscher Literatur; Verflechtung von Kindheitstheorie und Bibelwissenschaften; Geschichte Israels in der Antike; Deutsches Judentum des 19.-20. Jahrhunderts. Veröffentlichungen: Cristo e linferno. Storia di un santuario diffamato, Turin 2020; Moloch e i bambini del re. Il sacrificio dei figli nella Bibbia, Roma 2016; Martin Buber Werkausgabe. Band 11.1: Schriften zur politischen Philosophie und zur Sozialphilosophie, Gütersloh 2019 (Herausgabe und Kommentar). Autor zahlreicher Übersetzungen (darunter Nietzsche, Freud, Rosenzweig, Peter Sloterdijk, Boris Groys, Ulrich Beck). Gabriele Guerra, geboren 1968. Lehrstuhl für Germanistik an der Universität Rom La Sapienza. Zuvor Dozent für Wirtschaftsdeutsch an der Universität Ca' Foscari Venedig, wiss. Mitarbeiter am Institut für Neuere Deutsche Literatur an der Philipps-Universität Marburg. Studien der Germanistik, Philosophie und Judaistik in Rom und Berlin; Promotion an der FU Berlin im Fachbereich Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Veröffentlichungen: Judentum zwischen Anarchie und Theokratie. Eine religionspolitische Diskussion am Beispiel der Begegnung zwischen Walter Benjamin und Gershom Scholem, Bielefeld 2006; La forza della forma. Ernst Jünger dal 1918 al 1945, Rom 2007; Spirito e storia. Saggi sullebraismo tedesco 1918-1933, Rom 2012; Lacrobata davanguardia. Hugo Ball tra dada e mistica, Macerata, 2020. Weitere Aufsätze über Hugo Ball, Ernst Bloch, Stefan George, Georg Lukács, Franz Kafka, Gustav Landauer. Schwerpunkte in den Grenzbereichen zwischen Literaturwissenschaft, Religions- und Kulturgeschichte, insbesondere: Deutschjudentum der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Literatur der Konservativen Revolution, die klassischen Avantgarden am Schnittpunkt zwischen Ästhetik und Kultur, sowie der kulturpolitische Katholizismus der Weimarer Zeit. Thomas Ruster, geb. 1955, von 1995 bis 2021 Professor für Systematische Theologie am Institut für katholische Theologie der TU Dortmund. Vorher Studien in Bonn und Paris, Wiss. Mitarbeiter an den Universitäten Bonn und Köln, Tätigkeit in der Erwachsenenbildung. Hauptveröffentlichungen: Die verlorene Nützlichkeit der Religion. Katholizismus und Moderne in der Weimarer Republik (1994); Der verwechselbare Gott. Theologie nach der Entflechtung von Christentum und Religion (2000); Von Menschen, Mächten und Gewalten. Eine Himmelslehre (2005); Alles, was atmet. Eine Theologie der Tiere (2018, zus. mit S. Horstmann und G. Taxacher); Balance of Powers. Für eine neue Gestalt des kirchlichen Amtes (2019). Festschrift: Theologische Objekte. Gottes Bezug zur Wirklichkeit, hg. von S. Horstmann und G. Taxacher (2021).