Beschreibung
Auf einem abgelegenen Bauernhof ist ein altes Ehepaar überfallen und getötet worden. "Ausländer, Ausländer!" waren die letzten Worte der sterbenden Frau. Als die Öffentlichkeit davon erfährt, wird Schonen von einer Welle ausländerfeindlicher Gewalt überrollt. Doch plötzlich führen die Ermittlungen in eine ganz andere Richtung. Kommissar Wallanders erster Fall, mit dem Henning Mankell den Grundstein zu seiner Karriere als Erfolgsschriftsteller gelegt hat.
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Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
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Autorenportrait
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Leseprobe
Als er aufwacht, weiß er genau, daß er etwas vergessen hat. Etwas, das er geträumt hat in dieser Nacht. Etwas, an das er sich erinnern muß. Er versucht, sich zu erinnern. Aber der Schlaf ist wie ein schwarzes Loch, ein Brunnen, der nichts von seinem Inhalt preisgibt. Dabei habe ich gar nicht von den Stieren geträumt, denkt er. Da müßte ich jetzt naßgeschwitzt sein, so als hätte ich während der Nacht ein Fieber ausgeschwitzt. Heute nacht haben mich die Stiere in Ruhe gelassen. Er liegt regungslos in der Dunkelheit und horcht. Die Atemzüge seiner Frau sind so schwach, daß er sie kaum wahrnehmen kann. Eines Morgens wird sie tot neben mir liegen, ohne daß ich es merke, denkt er. Oder ich werde tot sein. Einer von uns wird zuerst sterben. Es wird eine Morgendämmerung geben, in der einer von uns einsam übriggeblieben ist. Er sieht auf die Uhr, die auf dem Nachttisch neben dem Bett steht. Die Zeiger leuchten und zeigen auf Viertel vor fünf. Warum bin ich aufgewacht, denkt er. Normalerweise schlafe ich bis halb sechs. So war es über vierzig Jahre lang. Warum wache ich jetzt auf? Er horcht in die Dunkelheit hinaus und ist plötzlich hellwach. Etwas ist anders, ist nicht mehr so, wie es bisher gewesen ist. Vorsichtig tastet er mit der einen Hand, bis er das Gesicht seiner Frau erreicht. Mit den Fingerspitzen fühlt er, daß sie warm ist. Sie ist also nicht gestorben. Noch ist keiner von ihnen einsam zurückgeblieben. Er horcht in die Dunkelheit hinaus. Das Pferd, fährt es ihm durch den Kopf. Es wiehert nicht. Deshalb bin ich aufgewacht. Die Stute wiehert sonst immer nachts. Ich höre es, ohne wirklich wach davon zu werden, und weiß unbewußt, daß ich weiterschlafen kann. Vorsichtig steht er aus dem knarrenden Bett auf. Seit vierzig Jahren haben sie es schon. Es war das einzige Möbelstück, das sie bei der Heirat kauften, und es ist das einzige Bett, das sie in ihrem Leben besitzen werden. Während er über die Holzdielen zum Fenster geht, spürt er einen Schmerz im linken Knie. Ich bin alt, denkt er, alt und verbraucht. Jeden Morgen bin ich beim Aufwachen wieder aufs neue überrascht, daß ich schon siebzig Jahre alt bin. Er sieht in die Winternacht hinaus. Es ist der 8.Januar 1990, und es hat in diesem Winter in Schonen noch nicht geschneit. Die Hoflampe an der Küchentür wirft ihr Licht über den Garten, die kahlen Kastanienbäume und die dahinter liegenden Felder. Er schaut blinzelnd zum Nachbarhof hinüber, wo Lövgrens wohnen. Das weiße, flache und langgestreckte Haus ist dunkel. Am Stall, der im rechten Winkel zum Wohnhaus liegt, hängt über der schwarzen Stalltür eine Lampe, die einen milchigen Lichtschein verbreitet. Dort steht die Stute in ihrer Box, und dort wiehert sie plötzlich unruhig in den Nächten. Er horcht in die Dunkelheit hinaus. Im Bett hinter ihm knarrt es. "Was machst du da?" murmelt seine Frau. "Schlaf weiter", antwortet er. "Ich vertret' mir nur etwas die Beine." "Hast du Schmerzen?" "Nein." "Dann schlaf! Steh nicht da und hol dir eine Erkältung." Er hört, wie sie sich auf die andere Seite dreht. Wir haben uns einmal geliebt, denkt er. Aber er wehrt sich gegen den eigenen Gedanken. Das ist ein viel zu feines Wort. Lieben. Das ist nichts für Leute wie uns. Ein Mensch, der über vierzig Jahre lang Bauer gewesen ist, immer über den schweren schonischen Lehmboden gebeugt, nimmt das Wort "Lieben" nicht in den Mund, wenn er von seiner Frau spricht. In unserem Leben ist die Liebe immer etwas ganz anderes gewesen. Er betrachtet das Nachbarhaus, kneift die Augen zusammen, versucht, das Dunkel der Winternacht zu durchdringen. Wiehere, denk Leseprobe