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Autorenportrait
Fabian Hischmann, geboren 1983 in Donaueschingen, lebt in Berlin. Er studierte Kulturwissenschaften und Literatur in Hildesheim und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. 2008 und 2009 Dramaturgiehospitanzen an den Theatern Heidelberg und Freiburg. 2011 erhielt er das Bremer Autorenstipendium und 2012 war er auf der Shortlist zu 'Wortlaut', dem Kurzgeschichtenwettbewerb des österreichischen Radiosenders FM4, 2013 war er Teilnehmer der Jürgen-Ponto-Werkstatt. Kurzgeschichten in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien. 'Am Ende schmeißen wir mit Gold' ist sein Debütroman.
Leseprobe
Erster Teil: Sommerferien (.) 2 Ich ziehe alle Stecker, gebe den Pflanzen frisches Wasser und schließe zweimal ab. In der Straßenbahn stinkt es nach Pisse, Bierflaschen rollen in den Kurven über den Gang, ein verdrecktes Trikot ist um eine Haltestange geknotet. Am Sielwall funkeln Scherben auf dem Kopfsteinpflaster, ein Fahrradkurier fährt quer über die Gleise. Es ist nicht Valentin. Der Straßenbahnfahrer klingelt ihm verärgert hinterher. Der ICE rollt über flaches Land. In Niedersachsen halten wir auf einer Brücke, Signalstörung, eine Gruppe Kanuten winkt aus dem Strom nach oben. Als ich zwischen Fulda und Hanau aus einem gekrümmten Schlaf erwache, schaue ich in die Augen eines popelnden Kindes. Es sitzt schräg gegenüber und isst den Schnodder. Sein Blick ist tief und böse. Das Ende der Sommerferien macht mir Angst. Frankfurt am Main und seine Hochhäuser rücken näher, ich schiebe die DVD in den Rechner: Jacques Cousteau steht am Bug der Calypso und blickt auf den Ozean. Mit jedem Halt werden die Bahnhöfe kleiner, die Berge immer höher. Der Schaffner kontrolliert mich. Er spricht den regionalen Dialekt und hat eine leichte Fahne. Vor den Fenstern wirbeln Pollen, fällt der dichte Nadelwald in Schluchten. Ich sehe Radfahrer auf steilen Straßen, die sich etwas beweisen wollen. Frisch geschorene Schafe dösen am Hang, die Sonne steht hoch und scheint auf meine nackten Beine. Kurz überlege ich mich einzucremen. Als würde ich in den Urlaub fahren. Die Gleise verlaufen im letzten Streckenabschnitt parallel zu einem schmalen Quellfluss der Donau. Als ich ihm das letzte Mal beim Fließen zugesehen habe, war der Pegelstand sehr niedrig und die Algenpopulation gewaltig. Vor noch viel längerer Zeit spielten Maria und ich vom Ufer aus "Wer weiter spucken kann". Ich brachte ihr bei, wie man richtig rotzt. Nach regelmäßigem Training versaute sie Stockenten mit nur einem Versuch das Gefieder. Der Zug fährt in den Bahnhof ein. Mein Vater trägt einen Hut, meine Mutter ein Kleid. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie je ein Kleid getragen hat. Es flattert im Wind. Ich sitze breitbeinig auf der Rückbank. Mein Vater steuert den Kombi, wie immer etwas zu schnell, die kurvige Straße hinauf zu unserem Haus. Es ist das letzte Gebäude im Ort, dann beginnt der Wald, in dem so viel passiert ist. Da habe ich zum ersten Mal geraucht, zum ersten Mal gefickt und einmal fast einen umgebracht. Die Nacken meiner Eltern sind braun. Der meines Vaters ist sauber ausrasiert, bei meiner Mutter erkenne ich zwei lange, schwarze Haare. Eines davon sprießt aus einem Leberfleck. Dicht gewachsener Wein, nirgends schimmert die Wand durch. Hinter der Terrassentür steht der Hund, bellt und wedelt mit dem Schwanz, der mir viel länger vorkommt als sonst. Lio springt an mir hoch und meine Mutter ruft: "Pfui, sei brav." Fiepend tappt er zwei Schritte rückwärts. "Schön, dass du da bist", sagt sie und schaut mich an, streicht mir zärtlich über die Wange. Ihre Hand ist kalt und rau vom vielen Saubermachen. Eine Putzfrau kommt für sie nicht in Frage. Wenn man weiß, dass man den Dreck selbst wegmachen muss, bleibt man ein ordentlicher Mensch, davon ist sie überzeugt. Mein Vater öffnet die Terrassentür, und sofort summen ein paar Insekten ins Haus. Sonst ist es still. Es ist so still, dass man es mit der Angst zu tun bekommen könnte. Barfuß stehe ich auf den warmen Holzplanken der Terrasse und luge auf mein Handy: Nur Notrufe. Meine Mutter trägt Kaffee und Linzer Torte an den Tisch. "Ganz frisch", sagt sie und schneidet sechs Dreiecke ins Rund. Sie hofft, dass ich mehrere Stücke esse. In ihren Augen bin ich immer zu dünn. Es macht sie glücklich, mich essen zu sehen. Lio streckt sich in der Sonne, seine Flanke hebt und senkt sich und ich gleiche meine Atmung seinem Rhythmus an. Bienen und Hummeln tauchen in den Blumenkelchen um uns herum, für Wespen ist es noch zu früh. "Schön, dass du da bist", sagt meine Mutter noch einmal un
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Kategorie Belletristik