Beschreibung
Königin Luise von Preußen ist längst Legende: In Bildern, Büsten und zahllosen Büchern wurde sie verewigt. Günter de Bruyn führt auf das Unterhaltsamste vor, wie die preußische Königin Luise für das Deutsche Reich von 1871 zu einer Art Ursprungsmythos wurde. Er beschreibt die Herkunft dieser Legende und die Kraft, die sie über zwei Jahrhunderte für Preußens Kultur hatte.
Autorenportrait
Günter de Bruyn (1926-2020) arbeitete seit 1961 als freier Schriftsteller in der DDR. Bekannt machten ihn seinen beiden autobiografischen Büchern 'Zwischenbilanz' und 'Vierzig Jahre', sowie etliche ebenfalls autobiographisch gefärbte Romane. Durch sein Engagement gegen Zensur, gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns und für die Friedensbewegung geriet er immer wieder in Konflikt mit dem Staatssystem der DDR. Nach der Wende wurde sein Roman 'Preußens Luise' wurde 2002 mit dem Deutschen Bücherpreis ausgezeichnet. Zu Günter de Bruyns zahlreichen Auszeichnungen zählen der Heinrich-Mann-Preis, der Thomas-Mann-Preis, der Große Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Künste und der Jean-Paul-Preis.
Leseprobe
Verflechtungen Um die außergewöhnliche Verehrung der Königin Luise von Preußen entstehen, andauern und sich über ganz Deutschland ausbreiten zu lassen, mußten verschiedene Ereignisse und Umstände zusammenkommen. Schönheit und Anmut mußten selten gewesen sein auf preußischen Thronen; bürgerliche Tugenden mußten öffentliche Wertschätzung genießen; ein früher Tod mußte die Königin in der Erinnerung jung erhalten, Preußen die schlimmste Niederlage seiner Geschichte erleiden, und die Periode seiner Demütigungen mußte siegreich zu Ende gehen. Daß aber Luise, die siebente von insgesamt elf preußischen Königinnen, für das Deutsche Reich von 1871 mit dem Hohenzollernkaiser an der Spitze zu einer Art Ursprungsmythos werden konnte, hing sowohl mit dem zu ihren Lebzeiten erstarkenden deutschen Nationalbewußtsein und der besonderen Rolle Preußens in den Befreiungskriegen zusammen als auch - und das in erster Linie - mit ihrem Sohn Wilhelm, der sechzig Jahre nach ihrem Tode deutscher Kaiser wurde. Passend dazu war die Verflechtung ihres Lebens mit außerpreußischen deutschen Ländern. Sie war eine mecklenburgische Prinzessin, wurde aber in Hannover geboren und hatte ihre Jugend südlich des Mains verbracht. Sie sprach Hochdeutsch mit hessischen Dialektanklängen und war schon als junges Mädchen mit der Mutter des in ganz Deutschland verehrten Goethe bekannt und vertraut gewesen. In ihr verbanden sich, wie man später in völkischer Tonart sagte, 'die schlichte Treue und das Pflichtbewußtsein der schweren norddeutschen Stämme' mit der 'Herzenswärme und Heiterkeit süddeutschen Blutes'. Und da sie zu den blonden und blauäugigen Schönheiten gehörte, eignete sie sich auch vom Äußeren her für eine Lichtgestalt deutscher Art. Die schönen Schwestern In Hannover war die Mecklenburgerin geboren worden, weil ihr Vater, bevor er regierender Großherzog von Mecklenburg-Strelitz wurde, als Gouverneur der Stadt in englischen Diensten gestanden hatte, und ins Hessische war sie mit sechs Jahren geraten, als ihre Mutter, eine geborene Prinzessin von Hessen-Darmstadt, gestorben war. Bei der Großmutter war sie im Darmstädter Alten Palais aufgewachsen und mit siebzehn Jahren in Frankfurt am Main gezielt mit dem preußischen Kronprinzen zusammengebracht worden. Und da die beiden sich ineinander verliebten und der König diese Verbindung wünschte, waren sie wenige Wochen später verlobt. Am 10. März 1776 war Luise zur Welt gekommen, am 22. Dezember 1793 kam sie als Braut nach Berlin. Den Triumphzug der Einholung durch Bürger und Soldaten erlebte die Siebzehnjährige an der Seite ihrer jüngeren Schwester Friederike, die die Braut des jüngeren Bruders des Kronprinzen war. Schadow war so entzückt von den beiden, daß er ihren hessischen Dialekt als 'die angenehmste aller deutschen Mundarten' bezeichnete. Er spricht von einem 'Zauber', der sich durch den Liebreiz der Schwestern über der Residenz ausbreitete und die Berliner durch die Frage entzweite, welche die Schönere von beiden sei. Er selbst entzog sich dieser Entscheidung, indem er beide in seinem heute berühmten Marmorstandbild, der sogenannten Prinzessinnengruppe, vereinte und so Luise, noch bevor sie Königin wurde, als Gebilde der Kunst in die Unsterblichkeit hob. Für die Ausformung der Luisen-Legende hatte die Prinzessinnengruppe allerdings kaum eine Bedeutung, sieht man von einer indirekten, über die Literatur vermittelten Wirkung ab. Schuld daran war Luises Gatte, Friedrich Wilhelm III., der noch Kronprinz war, als der König das Kunstwerk in Auftrag gegeben hatte, bald nach dessen Fertigstellung aber selbst König wurde und es, wie vieles, das sein Vater getan oder veranlaßt hatte, verwarf. Johann Gottfried Schadow, 1764 in Berlin geboren, Schüler des Hofbildhauers Tassaert, seit 1788 dessen Amtsnachfolger, hatte schon Meisterwerke wie die Quadriga des Brandenburger Tores und das Zieten-Denkmal für den Wilhelmplatz in Berlin geschaffen, so daß der Minister von Heynitz, als er Friedrich Wilhelm II. vorsch Leseprobe