Beschreibung
In der Zerrissenheit des Islamismus liegt seine größte Gefahr
Al Qaida und die Taliban, Hisbollah und Hamas, Syrien und Iran - sie alle bedrohen den Westen. Es wäre allerdings ein gefährlicher Irrtum, diese Kräfte für einen geschlossenen, starken Feind zu halten. Denn durch die islamische Welt geht vielmehr ein tiefer Riss. Doch das ist kein Grund zur Entwarnung, sagt Olivier Roy: Er macht deutlich, dass die eigentliche Gefahr von den Spannungen innerhalb der islamistischen Gruppen ausgeht und zeigt, welche Politik wir ihr entgegensetzen müssen.
Der islamistische Terrorismus stellt eine weltweite Bedrohung dar. Doch der vom Westen propagierte ''Krieg gegen den Terror'' ist nicht zu gewinnen. Weder ist der Islam ein einheitliches Gebilde, noch sind geopolitische Militäraktionen eine angemessene Reaktion auf deterritorial agierende Selbstmordattentäter. Um zu bestimmen, wie der Westen künftig mit dieser Gefahr umgehen soll, müssen wir erst einmal danach fragen, wie die regionalen und globalen Kräfteverhältnisse wirklich sind, wer denn eigentlich der Feind ist und wie man ihm wirksam begegnen kann.
In seinem neuen Buch deckt der renommierte Islam- und Terrorismusexperte Olivier Roy die politischen Irrtümer des Westens auf, erklärt klar und anschaulich die innerislamischen Verhältnisse und Spannungen und liefert verblüffende Erkenntnisse über die Organisations- und Funktionsweise der Al Qaida.
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Leseprobe
Der Krieg gegen den Terrorismus: Ein neuer Weltkrieg oder Selbstbetrug im großen Stil?
Am Abend des 11. September 2001 besaß die amerikanische Regierung eine Blankovollmacht. Die öffentliche Meinung im Land war mobilisiert und entschlossen, die Schuldigen zu bestrafen. Es galt zu verhindern, dass ein Ereignis wie dieses, der erste Angriff auf amerikanisches Staatsgebiet seit 1812, sich wiederholte. Man war willens, den Preis dafür zu bezahlen, in finanzieller Hinsicht und durch den Einsatz von Menschenleben. Der Rest der Welt bekundete Solidarität oder schwieg, im einen Fall bereit, sich einer von Amerika geführten Koalition anzuschließen, im anderen darauf gefasst, sich dem Zorn der Supermacht zu beugen, die, obschon gedemütigt und verletzt, doch auf dem Gipfel ihrer Macht stand.
Sechs Jahre später müssen wir einen kompletten Misserfolg konstatieren: Nicht eines der Ziele von damals wurde erreicht. Bin Laden ist bis heute am Leben, ebenso Mullah Omar, der Anführer der Taliban. Und selbst mit ihrem Tod würden die von ihnen geführten Bewegungen nicht aufhören zu existieren. Es hat seit 2001 weitere terroristische Anschläge gegeben, und die Lage in der gesamten muslimischen Welt hat sich verschlechtert. Schlimmer noch: Am meisten profitiert von der neuen Situation der Iran, Washingtons ärgster Feind, was eine neue Konfrontation befürchten lässt. Die militärische Intervention im Irak, die angeblich unverzichtbar war, um die Wurzeln des Terrorismus auszurotten, hat sich als ein blutiger Fehlschlag erwiesen, der offensichtlich den erklärten Feinden Amerikas in die Hände spielt: dem Iran und Al Qaida. Die amerikanische Armee hat die Grenze ihrer Interventionsfähigkeit erreicht, gleichzeitig treten Brüche und neue Konfliktlinien innerhalb der muslimischen Welt zutage. In Afghanistan sind die Taliban zurückgekehrt, die libanesische Hisbollah zeigt ganz offen, dass sie entschlossen ist, über Wohl und Wehe jeder Regierung in Beirut zu bestimmen. In Somalia ist es nicht gelungen, die islamistischen Milizen durch eine äthiopische Militärintervention in die Knie zu zwingen, und so stehen die Islamisten wieder als die Verteidiger der Nation da und können ihre Rückkehr auf die politische Bühne vorbereiten. In Bagdad sind dem Iran nahestehende Schiiten an der Macht. Bei den Palästinensern ist die Hamas die dominierende politische Kraft. Der Iran verfolgt ein Atomprogramm, das durch einen Bombenangriff aus der Luft allenfalls verzögert werden kann und dessen Konsequenzen im Übrigen den Vereinigten Staaten große Schwierigkeiten bereiten würden. Und schließlich erscheint Amerika nicht mehr als Hypermacht in einer unipolaren Welt, sondern als eine gefesselte Macht, die nicht die Rolle der Weltpolizei einnehmen kann. Vielmehr muss sich Washington auf neue Weise mit seinen Verbündeten arrangieren, ebenso wie mit den immer gewichtigeren Konkurrenten China und Russland.
Wie ist es dazu gekommen? Weder die Wiederauferstehung der Taliban noch die Kampfeslust von Al Qaida, noch die Entschlossenheit der Iraner konnte Amerika so in die Defensive bringen. Verantwortlich für das amerikanische Scheitern ist Washington. Die Strategie der Bush-Regierung beruht auf zwei großen Irrtümern: Erstens war es ein Irrtum, die Reaktion auf die Anschlage als einen 'globalen Krieg gegen den Terrorismus' zu konzipieren, und der zweite Irrtum lag darin, die militärische Intervention im Irak zur tragenden Säule der neuen Strategie zu machen. Beide Entscheidungen sind das Ergebnis einer ideologisch gefärbten Sicht auf die internationalen Beziehungen, die in der Gruppe der so genannten Neokonservativen entwickelt wurde, denen sich eher traditionelle Republikaner wie Donald Rumsfeld und Dick Cheney angeschlossen haben.
Zwar gehört es mittlerweile zum guten Ton, die Unfähigkeit und Arroganz der Bush-Regierung zu kritisieren, doch die Ideen der amerikanischen Neokonservativen lagen gewissermaßen in der Luft, und seither verwischen ... Leseprobe