Beschreibung
Eine junge mexikanische Jüdin, ein alter Historiker und ein ehemaliger Ameisenzeichner und Wolkenspezialist treffen aufeinander - und die Konturen der Welt beginnen sich aufzulösen. Tatiana hat es eher zufällig aus Mexiko-Stadt nach Berlin verschlagen. Empfindsam für historisch belastete Orte wie für Wetterphänomene, durchstreift sie auf einsamen Spaziergängen die Stadt und beginnt schließlich, die Notizen des Stadthistorikers Weiss zu transkribieren. Über ihn trifft sie auf den Meteorologen Jonas Krantz, der schon als Kind in der DDR in der Flüchtigkeit der Wolken über Berlin Trost fand. Doch jeder der drei ist für eine Freundschaft zu spröde, und lebendiger als die Menschen, denen Tatiana begegnet, sind für sie die Geister Berlins: Von einer überfüllten U-Bahn, in der Hitler als alte Frau verkleidet erscheint, über eine unterirdische Kegelbahn der Gestapo, an deren Wände Spielstände aus längst vergangenen Partien angeschrieben sind, bis zu einem unerklärlichen Nebel, der alles verschluckt, führt uns Chloe Aridjis durch eine unruhige Stadt und verwischt die Linien zwischen Wirklichkeit und Vorstellung. Mit traumlogischem Surrealismus lässt Buch der Wolken uns spüren, dass Städte, genau wie Menschen, ihrer Vergangenheit nicht entkommen können.
Autorenportrait
Chloe Aridjis, geboren 1971 in New York, aufgewachsen in Mexiko und den Niederlanden, studierte Komparatistik in Harvard und Oxford. Sie hat ab 2003 fu¨nf Jahre in Berlin verbracht und lebt heute in London. Book of Clouds (2009) ist ihr erster Roman und erschien bisher in den USA, Großbritannien, den Niederlanden, Spanien, Mexiko und weiteren Ländern. Mit ihrem Roman Asunder (2013) war sie 2014 zu Gast beim internationalen literaturfestival berlin. 2014 wurde Aridjis mit dem renommierten John-Simon-Guggenheim-Stipendium ausgezeichnet. 2015 war sie Mit-Kuratorin der Leonora-Carrington-Ausstellung in der Tate Liverpool.
Leseprobe
Sobald ich die Fenster geschlossen hatte, gab es nichts weiter zu tun als mich an den Küchentisch zu setzen und zu warten, bis der Sturm vorüberzog. Sekunden später geriet das ganze Gebäude ins Wanken, um einen Zentimeter nur, denke ich, vielleicht weniger, als Antwort auf das zornige Vakuum draußen. Ich spürte, wie es versuchte, uns in sein bewegliches Chaos hineinzuziehen, mitten hinein in den Wirbel seines Energie-Reaktors, genug Energie, um ein Dorf über ein Jahr mit Strom zu versorgen. Der Regen machte einen ohrenbetäubenden Lärm, ein ungleichmäßiger Platzregen, als würde man zehntausende Aquarien ausschütten. Ich stand an meinem Fenster. Nichts als zwei Glasscheiben trennten mich von der Sturzflut, und ich schaute zu, wie der Regen Dreck von Autofenstern, Versprechen aus ihrer Erfüllung und einen kleinen Vogel aus seinem Nest schwemmte.