Beschreibung
Christen kennen zahllose geistliche Texte, zum Beispiel das Vaterunser, das Ave Maria, das Glaubensbekenntnis, das Magnifikat, das Rosenkranzgebet und die Psalmen, um hier nur diese zu nennen. Fromme Beter rezitieren sie, ohne darüber nachdenken zu wollen oder zu können. Viele Jahrhunderte liegen zwischen den Autoren und dem heutigen Leser, der sie jetzt so lesen möchte, dass sie ihm etwas für sein Leben bedeuten. Jeder alte Text hatte zu seiner Zeit seine Adressaten, die ihn verstehen konnten. Wir Heutigen denken anders, als damals die Menschen der Antike und des Mittelalters. Dadurch wirken die Texte, wenn man sie mit heutigem Verstand liest, fremd und oft unverständlich, denn das Gottesbild hat sich gewandelt. Vor Zeiten glaubten die Menschen, Gott wohne unter ihnen, einem Menschen ähnlich, und greife selbst ein, wenn erforderlich, sogar mit Gewalt. Theologen schufen die Trinitätslehre, Philosophen sahen Gott als geistige Wesenheit. Gott ist der ganz Andere und niemals identisch mit einem Bild, das Menschen von ihm machen. Es lohnt sich, vertraute Texte aus anderen Blickwinkeln zu betrachten, sie neu werden zu lassen und zu schauen, was sie uns heute sagen können. Dabei geht es nicht um unbedingte theologische Korrektheit, um kirchliche Vorschriften oder um andere Formalien: Die Texte sollen sich in unserer Zeit ganz subjektiv wiederfinden lassen.
Autorenportrait
Ursprünglich von Ausbildung und Beruf her wissenschaftlich-technisch orientiert, fand der Autor Bernhard J. Seubert, Jahrgang 1943, schon früh großes Interesse an Philosophie und Lyrik. Dies zog sich viele Jahre lang durch seinen Lebensweg und bewog ihn, seine Beobachtungen und Empfindungen in Prosagedichten niederzuschreiben. Nach Ende seiner beruflichen Tätigkeit in leitender Funktion befasste sich der Autor intensiv mit der Phänomenologie von Husserl und Heidegger, um sich dann der Neuen Phänomenologie zuzuwenden. Viele der im vorliegenden Band enthaltenen Gedichte haben quasi einen doppelten Boden. Ein gegebener Sachverhalt kann sein, wie er sich darstellt, kann auch anders sein oder sogar gar nicht sein.